Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Durchsuchung eines anwaltlichen Mobiltelefons (LG Bad Kreuznach; Beschluss vom 09.11.2015 – 2 Qs 107/15) Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.
Prüfungswissen: Durchsuchung nach § 102 StPO (nach Prof. Dr. Bernd Heinrich/Dr. Tobias Reinbacher; http://heinrich.rewi.hu-berlin.de/doc/strpr/14_durchsuchung
I. Durchsuchung beim Verdächtigen, § 102 StPO
1. Durchsuchungszweck
Beim Verdächtigen darf eine Durchsuchung stattfinden
a) zum Zweck seiner Ergreifung (sog. Ergreifungsdurchsuchung)
b) zur Beweissicherung (sog. Ermittlungsdurchsuchung).
Eine Durchsuchung, die lediglich der Ausforschung dient, ist unzulässig. Die Durchsuchung.2. Durchsuchungsgegenstand.
Die Durchsuchung kann sich auf die Wohnung oder andere Räume des Verdächtigen, seine Sachen sowie seine Person erstrecken. Durchsuchungsobjekt sind dabei diejenigen beweglichen Sachen, die dem Verdächtigen „gehören“, d.h. hier: wenigstens in seinem (Mit-)Gewahrsam stehen. Im Hinblick auf die Durchsuchung der Person ist sowohl die Durchsuchung am Körper (worunter auch die „natürlichen“ Körperöffnungen, z.B. die Mundhöhle fallen) als auch der sich am Körper befindlichen Kleidung zulässig. Nicht erfasst ist die Durchsuchung im Körper (hier gelten die strengeren Vorschriften über die körperliche Durchsuchung, §§ 81a ff. StPO).
3. Durchsuchungsvoraussetzungen
Zulässig ist die Durchsuchung bereits dann, wenn die Vermutung besteht, dass sie zur Auffindung des Verdächtigen oder von Beweismitteln etc. führt.
II. Durchsuchung bei anderen Personen, § 103 StPO
Bei anderen Personen ist das Ziel der Durchsuchung beschränkt auf
1. die Durchsuchung zur Ergreifung des Beschuldigten (beschränkte Ergreifungsdurchsuchung)
2. die Durchsuchung zum Auffinden bestimmter Gegenstände und Spuren (beschränkte Ermittlungsdurchsuchung).
Erfasst ist in § 103 StPO ausdrücklich nur die Durchsuchung von Räumlichkeiten, ggf. aber auch ganze Gebäude. Unter einem Gebäude ist eine räumlich abgegrenzte, selbstständige bauliche Einheit zu verstehen, die mehrere Wohnungen oder sonstige Räumlichkeiten umfassen kann.
Fraglich ist, ob auch Personendurchsuchungen zulässig sind. Die h.M. bejaht dies auf Grund eines Erst-Recht-Schlusses zu § 81c StPO: Wenn sogar die weiter gehende körperliche Untersuchung zulässig ist, so muss erst recht die mildere Maßnahme der Durchsuchung gestattet sein. Weitere Voraussetzung ist aber, dass konkrete Tatsachen (d.h. anders als bei der Durchsuchung des Verdächtigen nicht nur bloße Vermutungen) vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung des Beschuldigten oder des gesuchten Gegenstandes in den Räumlichkeiten der betreffenden Person führt. Die bloße „Aussicht“, beweisrelevantes Material zu finden, genügt also nicht. § 103 I 2 StPO erlaubt im Rahmen der Aufklärung von Straftaten nach den §§ 129a, b StGB (Terrorismus)
III. Durchsuchungsverbote
§ 102 ff. StPO enthalten keine den §§ 52 ff., 97 StPO entsprechenden Durchsuchungsverbote. Insofern ist auch eine Durchsuchung bei zeugnisverweigerungsberechtigten Personen zulässig. Allerdings ist eine Durchsuchung nach erkennbar beschlagnahmefreien Gegenständen (§ 97 StPO) unzulässig.
Die nächtliche Hausdurchsuchung ist nur unter den Voraussetzungen des § 104 StPO gestattet: bei Verfolgung auf frischer Tat, bei Gefahr in Verzug oder wenn es sich um die Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen handelt.
Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Mai 2016