Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im April 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
Fall 1:
Eine Anwaltskanzlei mit Arbeitnehmern und Freiberuflern veröffentlicht in der NJW eine Stellenanzeige, wonach sinngemäß ein/e Kollege/in mit dem Schwerpunkt Handelsrecht und erster Berufserfahrung gesucht wird. Es bewirbt sich mit einem kurzen Schreiben der 53jährige RA R aus Regensburg, der Einzelanwalt ist und auf vielerlei Gebieten tätig ist. Er wird nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und kurze Zeit später ein junger Kandidat eingestellt. Nunmehr begehrt er wegen Diskriminierung 50.000 € Schadensersatz, 10.000 € Schmerzensgeld und die entstanden Rechtsanwaltskosten.
Hier war zu sehen, dass sich die Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus § 15 I, II AGG ergeben. Fraglich war, ob es sich überhaupt um einen Arbeitnehmervertrag handelt, aber auch der Dienstvertrag bzw. der Selbstständige fällt nach § 6 Abs. 3 AGG. Im weiteren Verlauf wurde die Diskriminierung nach §§ 7, 1, 11 AGG sowie die Beweiserleichterung nach § 22 AGG angesprochen. Es entstand eine Diskussion darüber, ob die Wendung „erste Berufserfahrung“ überhaupt diskriminierend ist, dies ist jedenfalls Hinblick auf Kollegen mit ausreichender Berufserfahrung zu bejahen.
Nun wurde der Fall erweitert: Der R hat sich insgesamt auf 29 Stellenanzeigen mit ähnlichem Ausschreibungstext beworben. Fraglich war, ob dies rechtsmissbräuchlich ist. Hier wollte der Prüfer wissen, wie man einen Rechtsmissbrauch prüft und was zu dessen Annahme alles vorliegen muss, sowohl abstrakt als auch auf den konkreten Fall (Stichwort AGG-Hopper) bezogen. In der Gesamtschau bejahen die Instanzgerichte einen Rechtsmissbrauch, nicht jedoch das BAG.
Fall 2:
A ist bei der X-GmbH angestellt und wird am 22.10.2016 zwecks Kündigung ins Büro der des Geschäftsführers gebeten, wobei auch der Rechtsanwalt der X-GmbH anwesend ist. Beide befinden sich hinter bzw. leicht seitlich vom Schreibtisch im Büro. Sie legen der A einen Umschlag mit der darin befindlichen Kündigung auf den Schreibtisch. Diese sagt, sie wisse was hier vor sich geht, dreht sich rum und verlässt ohne den Umschlag zu nehmen das Büro. Deswegen stellt die X-GmbH noch am selben Tag die Kündigung per Bote zu. Dieser klingelt bei der A, diese macht aber direkt wieder die Türe zu und nimmt das Schreiben nicht an. Schließlich wird die Kündigung um 17 Uhr in den Briefkasten eingeworfen.
22 Tage später erhebt die A Kündigungsschutzklage.
Zu prüfen war hier § 4 KSchG und entsprechend der erforderliche Zugang der Kündigung in Hinblick auf die dreiwöchige Frist. Hier sollten sodann unter vorheriger Erklärung des Zugangs im Allgemeinen, die einzelnen Zustellungsmöglichkeiten des Falls geprüft werden. Schon im ersten Fall ist Zugang zu bejahen. Im zweiten Fall war noch die Zugangsvereitelung unter Nennung der Voraussetzung und der Feststellung der Zugangsfiktion zu erklären. Bei der dritten Zustellung ging es um die unter Abwesenden, sowie die typischen Abläufe (in NRW Briefkastenleerung am Vormittag) in Abgrenzung zu den vorliegenden Umständen des Einzelfalls, aufgrund derer Zugang noch am 22.10.2016 anzunehmen war.
Fall 3:
Dem K, 17 Jahre alt, soll am 31.10.2016, dem letzten Tag der Probezeit bei der Bundeswehr, gekündigt werden. K wohnt in der Einliegerwohnung der Eltern. Die Kündigung war adressiert an den „Azubi K gesetzl. Vertreten durch die Eltern“ und unterschrieben mit „Standortkommandant i.V.“. Die Kündigung wird um 8.30 Uhr eingeworfen, allerdings ist der K krank und die Eltern in Urlaub, so dass diese erst am 02.11.2016 Kenntnis nehmen. Am 13.11.2016 wird die Kündigung seitens des Rechtsanwalts des K zurückgewiesen.
Zu thematisieren waren §§ 131 Abs. 2, 174 BGB. Die Vollmachtsurkunde (wegen des Zusatzes i.V.) fehlte, fraglich war aber, ob die Zurückweisung noch unverzüglich war. Das BAG verneint dies, nur 3-4 Tage seien demnach unverzüglich. Außerdem wurde noch angesprochen, was die Bundeswehr jetzt machen könne. Auch hier war an Zurückweisung zu denken, wenn der Rechtsanwalt des K keine Vollmachtsurkunde beigelegt hat.
Fall 4:
Die X-GmbH stellt dem K einen Dienstwagen zur privaten Nutzung. Im Arbeitsvertrag steht sinngemäß, dass die X-GmbH berechtigt sei, die Privatnutzung zu widerrufen, sofern eine Kündigung und Freistellung erfolgen sollte. Der K wird am 09.06. zum 30.09. gekündigt und soll Schlüssel und Papiere des Dienstwagens herausgeben.
Hier folgte eine AGB-Prüfung. Was sind AGB, Unterschiede zwischen „stellen“ und „aushandeln“, § 305 BGB. Wie oft müssen AGB verwendet werden, was sind die Besonderheiten vorliegend? In der Regel drei Mal, aber bei Arbeitnehmern handelt es sich um Verbraucher, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist einschlägig. Schließlich erfolgte noch eine kurze Prüfung des § 307 Abs. 2 BGB.
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