Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im November 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
Die Prüferin begann das Prüfungsgespräch mit einer „rechtspolitischen Diskussion“: Vor dem BVerfG liege gerade ein Gesetzgebungsverfahren zur Überprüfung. Es gebe einen Gesetzesentwurf, nachdem hauptamtliche Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg künftig im Gericht keine religiös oder politisch geprägten Kleidungsstücke (Kippa, Kopftuch, etc.) tragen dürfen.
Hierzu sollten wir alle unsere Meinung sagen und kurz dafür und dagegen argumentieren. Eigentlich recht interessant. Allerdings waren die „guten“ Argumente schnell von anderen Prüflingen, die vorher an der Reihe waren, aufgebraucht. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass es hier für die Prüferin kein „richtig“ oder „falsch“ gab.
Im Wesentlichen wurde mit der negativen Religions (-ausübungs-)freiheit aus Art. 4 I GG, der Berufsfreiheit der Richter und Staatsanwälte aus Art. 12 I GG und dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als staatliche Neutralitätspflicht argumentiert.
Sodann bildete die Prüferin einen Fall: A möchte Bs Gaststättenbetrieb für Samstag, den 02.12.2017 übernehmen. Er möchte an diesem Tag eine große Party machen, bei der auch alkoholische Getränke ausgeschenkt werden sollen. Drei Tage vorher fragt A den B, ob dieser denn überhaupt eine Gaststättenerlaubnis habe. Der B verneinte dies – schließlich gelte ja die Gewerbefreiheit…
Die erste Frage war, in welchem Gesetz der Fall spielen würde, insbesondere, wo denn die Gewerbefreiheit einfach gesetzlich geregelt sei. Hier dauerte es eine Weile, bis K4, die an der Reihe war, § 1 I GewO fand.
Sodann prüften wir, ob denn überhaupt eine Erlaubnis erforderlich sei. Dies lies sich mit Blick auf den Alkoholausschank recht schnell bejahen, § 2 I 1, II Nr. 1 GastG bejahen. Ein Ausnahmetatbestand kam nicht in Betracht. Die Prüferin wollte dann wissen, welchen Antrag der A wo stellen müsse. Ich warf § 11 I 1 GastG in den Raum, da A ja eine Gaststätte übernehmen wollte. Damit war die Prüferin auch einverstanden. Zuständig war, was K4 sehr gut herausgearbeitet hat, gem. § 30 GastG iVm GewORV NRW iVm § 1, 5 OBG NRW die örtliche Ordnungsbehörde, also die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln.
Nun sollten wir uns – wie auch in anderen Protokollen geschildert – in die Perspektive des zuständigen Sachbearbeiters bei der Stadt Köln begeben: Was prüft dieser? Aus § 11 I 1 GastG ergibt sich, dass auch insoweit geprüft werden muss, ob etwaige Versagungsgründe nach § 4 GastG vorliegen. Nun gab die Prüferin vor, dass der Sachbearbeiter den Antrag ablehnt.
Es folgte dann die Rechtsanwaltsperspektive: Was kann der RA des A nun machen? K2 grenzte die verschiedenen Varianten der einstweiligen Anordnung nach § 123 I VwGO voneinander ab und schlug eine Regelungsanordnung nach § 123 I 2 VwGO vor. Die Prüferin gab nun vor, dass die zuständige Kammer am VG Köln bei Antragstellung nicht mehr im Hause war. Zunächst arbeiteten wir heraus, dass es im Geschäftsverteilungsplan ja eine Regelung für eine Vertretung geben müsse. Allerdings war, so gab die Prüferin weiter vor, auch die Vertreterkammer nicht mehr im Hause. Schließlich kamen wir dazu, dass mit Blick auf Art. 19 IV GG dann halt der Präsident des Gerichts oder ein anderer Richter über den Antrag entscheiden muss.
Es schloss sich dann also die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrags auf § 123 I 2 VwGO an, bei der die Prüferin die Zulässigkeit vorgab. Im Rahmen der Begründetheit arbeiteten wir zunächst den Charakter der Vorschrift des § 11 I 1 GastG heraus – eine Ermessensvorschrift. Ein Anspruch auf antragsgemäße Entscheidung bestünde also nur, wenn das Ermessen im vorliegenden Fall auf Null reduziert wäre. Wir prüften dann die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage, insbesondere, ob Versagungsgründe nach § 4 GastG vorlagen. In diesem Zusammenhang erörterten wir, dass ja gem. § 123 III VwGO iVm §§ 920 II, 294 I ZPO nur die Glaubhaftmachung nötig sei und hierfür auch grundsätzlich eine eidesstattlicher Versicherung zulässiges Mittel sei. Eine solche hatte der RA auch dabei. Nach einigem Hin-und-Her-Überlegen kamen wir schließlich zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Vorschrift des § 4 I GastG nicht um eine Ermessensvorschrift („[…] Erlaubnis ist zu versagen, wenn […].“) handelt. Aus diesem Grund reichte eine Glaubhaftmachung im vorliegenden Fall nicht aus. Der Antrag ist also unbegründet.
Die Prüferin wollte dann den Tenor des Beschlusses wissen: „Der Antrag wird abgelehnt.“
Zum Schluss fragte sie noch nach der Besetzung des VG (§ 5 III VwGO), der Möglichkeit der Übertragung auf den Einzelrichter, (§ 6 VwGO) und der Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (insbesondere § 84 I 1 VwGO, § 101 II VwGO).
Fazit: Die Prüfung bei die Prüferin ist machbar. Die Tipps aus anderen Protokollen, im VerwaltungsR AT und Verwaltungsprozessrecht sicher zu sein, kann ich nur bestätigen. Es hat sich für mich wirklich gelohnt, mir nochmal die „alten“ Sachen aus den ersten Semestern anzuschauen. Auch die Kenntnis der Vorschriften über die Besetzung des Verwaltungsgerichts gebe ich ohne Einschränkung als Vorbereitungstipp weiter. Aktuelle Themen…Ja, dieses Gesetzgebungsverfahren hätte man kennen können. Aber man kann sich halt nicht alles angucken. Basics lernen und fertig – damit dürftet Ihr gut fahren.
Viel Erfolg!!