Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Hessen vom Januar 2018

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen vom Januar 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 23
Zivilrecht 8
Strafrecht 8
Öffentliches Recht 7
Endpunkte 46
Endnote 5,11

Zur Sache:

Prüfungststoff: protokollfest

Prüfungsthemen: BGB AT, insbesondere Formvorschriften und Vertragsschluss sowie Anfechtung und Stellvertretung

Paragraphen: §433 BGB, §311a BGB, §167 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Zu Beginn der Prüfung teilte der Prüfer einen Sachverhalt von ca. einer dreiviertel Seite aus. Dieser war in mehrere Abschnitte unterteil, sodass man beim Lesen bereits die thematischen Schwerpunkte erkennen konnte.
K möchte in der Galerie des V gerne das Bild „der Rächer“ erwerben. Da er selber keine Zeit hat, die Galerie zu besuchen, bittet er seinen Freund D das Bild für ihn zu erwerben, sofern es auch D gefällt und dieser den Preis als angemessen betrachtet.
Daraufhin begibt sich D in die Galerie des V. Leider ist das Bild „der Rächer“ bereits veräußerst. V bietet jedoch das Bild „der Trinker“ zu einem Preis von 250 € an. D findet dieses Bild schön und den Preis angemessen, sodass er im Namen des K dieses Bild erwerben möchte.
D setzt K über den Kauf in Kenntnis. Dieser ist jedoch mit der Entscheidung des D nicht einverstanden und schickt D daher um 22:30 eine E-Mail in der zum Ausdruck bringt, dass er das Bild doch nicht kaufen wolle.
Erst später informiert sich K über das Bild und stellt fest, dass es sich um ein sehr altes Bild handelt, das weitaus mehr als 250 € wert ist. Daraufhin ruft K den D um 23:00 Uhr an und sagt, dass der Kaufvertrag doch zustande kommen soll.
Auch V informiert sich erst später über das Bild und wird sich dem wahren Wert des Bildes bewusst. V ist der Meinung, dass er unter den Umständen natürlich nicht mehr an den Kaufvertrag gebunden ist und informiert daraufhin D.
Der Prüfer fragte sodann nach den Ansprüchen des K.
Wir begannen mit dem Anspruch auf Übereignung aus § 433 I BGB. In diesem Zusammenhang sollte genau festgestellt werden zwischen wem ein Kaufvertrag zustande gekommen sein könnte. Zunächst wurde das Angebot des V definiert. Da K nicht selbst handelte, gingen wir bezüglich des
Zugangs des Angebots und der Annahme auf eine mögliche Stellvertretung nach § 164 ff. BGB durch D ein. Sowohl Zugang, Annahme als auch Stellvertretung wurden definiert. Dabei wollte der Prüfer auch den Unterschied zwischen einem Stellvertreter und Boten erklärt bekommen. Einzugehen war diesbezüglich auf den fehlenden Handlungsspielraum auf Seiten des Boten, sowie die unterschiedlichen Zeitpunkte des Zugangs von Willenserklärungen. Der Prüfer schweifte plötzlich ab und ging nun auf die Übereignung von Grundstücken ein. Es sollte nun aufgezeigt werden, dass zur Übereignung von Grundstücken gem. § 873 I BGB eine Einigung in der Form des § 925 BGB erforderlich ist. Diesbezüglich fragte der Prüfer, ob hinsichtlich des § 925 BGB eine Stellvertretung zulässig ist. Zunächst sollten jedoch der Sinn und Zweck von Formvorschriften erklärt werden. Zu nennen waren die Beweisfunktion, Warnfunktion, sowie im Zusammenhang mit Notaren die Beratungsfunktion. Im Verlauf diskutierten wir über die Möglichkeit der Stellvertretung und bejahten diese im Ergebnis.
Daraufhin kehrten wir zurück zum Sachverhalt und stellten fest, dass D nur einen Handlungsspielraum bezüglich des Preises (und der Schönheit des Bildes) besaß und mit der Annahme des Angebots bezüglich des Bildes „der Trinker“ seine Vertretungsmacht überschritten hatte. Demnach ist der Kaufvertrag als schwebend unwirksam zu betrachten und gem. § 177 I BGB genehmigungsbedürftig. Gem. § 182 I BGB besteht für K die Möglichkeit die Ablehnung oder Genehmigung auch gegenüber D zu erklären.
Als Ablehnung kam zunächst die E-Mail von K an D um 22:30 Uhr in Betracht. Der Prüfer wollte nun genau wissen, wann eine E-Mail als zugegangen gilt. Im Ergebnis stellten wir fest, dass diese erst am nächsten Tag als zugegangen gilt, da er erst zu diesem Zeitpunkt mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Folglich kann in dem Telefonat zwischen K und D um 23:00 Uhr eine Widerruf der Ablehnung gem. § 130 I 2 BGB und somit eine Genehmigung des Vertrages iSd. § 182 BGB gesehen werden.
Der Kaufvertrag zwischen K und V konnte demnach bejaht werden. K besitzt zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Übereignung des Bildes „der Trinker“.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit wurde die Prüfung an diesem Punkt beendet. Der restliche Sachverhalt wurde nicht mehr behandelt.
Der Prüfer war während der gesamten Prüfung ein sehr netter Prüfer. Er legte Wert auf genaue Definitionen des allgemeinen Teils des BGB und präzise Antworten. Kam ein Prüfling ins Stocken, so half er mit Hilfestellung und Nachfragen. Die Notenvergabe war angemessen bis wohlwollend.