Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Februar 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
In der Prüfung teilte uns der Prüfer zunächst einen Sachverhalt aus, den er laut vorlas.
Anschließend begann er die Prüfung mit einem Brainstorming. Dabei sollte einer der Prüflinge alle in Frage kommenden Straftatbestände aufzählen. Da er anscheinend noch nicht ganz zufrieden war, fragte er danach, ob noch jemand was zu ergänzen habe.
Der Sachverhalt war wie versprochen skurril. A hat eine Beziehung mit M. M ist masochistisch veranlagt. Dabei steht M insbesondere darauf, dass er bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt wird. A ist jedoch skeptisch, was diese Praxis anbelangt. Nach einigem Zureden durch M willigt A allerdings ein diese Praktiken mit M durchzuführen.
Sodann würgte A den M bis dieser bewusstlos wurde und hörte schließlich auf. M reichte dies allerdings nicht aus und er meinte, dass die extremste Steigerung seines Lustgefühls durch die Strangulation bis zum Tod erreicht würde. Dies lehnte A allerdings ab. Um A davon zu überzeugen, dass er es ernst meint, setzte M ein Testament auf, in dem er A als Alleinerbe einsetzte. Zudem redete er weiter auf A ein.
Bei einem erneuten Spiel der Atemkontrolle würgte A den M wiederholt bis zur Bewusstlosigkeit und hörte dann auf. M der schließloch doch wieder erwachte, war sehr erbost, dass A ihn nicht bis zum Tod gewürgt hatte.
Im darauffolgenden Atemkontrollspiel umwickelte A den M mit mehreren Lagen Klebeband über Mund und Nase. A wollte den M dadurch wieder zur Bewusstlosigkeit bringen, aber nicht töten. Als M schließlich besinnungslos in sich zusammenfiel, entfernte A das Klebeband wieder. Für M kam jedoch jede Hilfe zu spät.
Strafbarkeit des A?
Wir begannen nach dem Brainstorming die Prüfung mit dem § 216 StGB. Hierbei wollte der Prüfer zunächst den Paragraphen dogmatisch eingeordnet haben (Privilegierung, Sperrwirkung). Sodann wurde § 216 sehr detailliert geprüft, wobei der Prüfer auch Wert darauflegte, am Gesetz zu arbeiten und alle in Frage kommenden Prüfungspunkte sauber abzuarbeiten. Probleme waren hier das ausdrückliche und ernste Verlangen, die Frage nach einer die objektive Zurechnung ausschließende bewusste Selbstgefährdung und der Vorsatz. Der Vorsatz wurde schließlich abgelehnt und es wurde Fahrlässigkeit angenommen. Sodann begann die Prüfung der §§ 223 I, 224 Nr. 2,5 StGB. Diese wurden auch relativ schnell als einschlägig bejaht. Schließlich folgte die Prüfung der Körperverletzung mit Todesfolge. Auch diese wurde bejaht.
Der Prüfer fragte sodann, welchen Strafrahmen denn die einzelnen Tatbestände vorsähen. Dabei wollte er darauf hinaus, dass die Körperverletzung mit Todesfolge als Erfolgsqualifikation ein Verbrechen ist, der Strafrahmen des § 216 StGB jedoch deutlich geringer ist. Er fragte uns diesbezüglich, was wir denn im vorliegenden Fall unserem Mandanten raten würden und ob dies denn so stimmen könne. Aufgrund des geringeren Strafrahmens schien es ratsam für A zu behaupten, er habe den M nicht nur verletzten, sondern sogar töten wollen. In Zusammenhang mit diesem widersprüchlichen Ergebnis freute sich der Prüfer sichtlich darüber, dass einer der Prüflinge die Möglichkeit einer Analogie ansprach. Da die Analogie nicht zu Lasten des Täters ging, verstieß sie auch nicht gegen das Analogieverbot. Es wurde noch problematisiert, ob man den Strafrahmen des § 216 oder die Sperrwirkung analog anwenden sollte.
Damit endete die Prüfung. Zwar meinte der Prüfer, er hätte noch einige Fragen und würde gerne weitermachen, die Zeit sei jedoch zu Ende. StPO wurde nicht geprüft.