Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Berlin vom März 2018

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin vom März 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 28
Aktenvortrag 5
Zivilrecht 5
Strafrecht 5
Öffentliches Recht 7
Endpunkte 50
Endnote 5

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: einstweiliger Rechtsschutz, POR

Paragraphen:  §123 VwGO, §14 GG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Unser Prüfungsgespräch im Öffentlichen Recht eröffnete er mit den Worten, dass wir uns vorstellen sollen, wir seien eine Kammer am Verwaltungsgericht Berlin und hätten folgenden Fall zu entscheiden: A ist Eigentümer einer Bau-GbR, welche die Errichtung eines Gebäudes auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück plant. Jenes Grundstück grenzt jedoch an die von Flüchtlingen besetze Gerhard-Hauptmann-Schule. Aufgrund von Platzknappheit haben die Flüchtlinge mittlerweile auch das im Bau stehende Gebäude der Bau-GbR besetzt. Dadurch kommt es zu einem Baustopp, Verträge mit den Baufirmen können nicht eingehalten werden, Kosten entstehen. Der A verlangt deshalb von der Polizei die Räumung seines Grundstücks. A stellt jedoch keinen Strafantrag. Die Polizei wendet gegen sein Vorbringen ein, dass sich A an die ordentlichen Gerichte wenden müsse und ein Eingreifen derzeit aus politischen Gründen nicht gewollt sei.
Dass es sich um ein Verfahren im Eilrechtsschutz handele, gab der Prüfer vor. Er wollte direkt in der Begründetheit einsteigen und bat den ersten Prüfling einen passenden Obersatz zu formulieren. Dieser entschied sich die Begründetheit des Verfahrens nach § 123 I VwGO zu eröffnen – was auch richtig war. Im Rahmen des Anordnungsanspruches wollte der Prüfer zunächst die 2 verschiedenen Arten, also Sicherungs- und Regelungsanspruch, dargelegt bekommen und wissen, was im vorliegenden Fall gegeben sei. Danach wich er etwas vom Prüfungsschema ab bzw. machte einen kleinen Ausflug in die statthafte Antragsart. Es sollte geklärt werden, welche Rechtsnatur die Räumung des Grundstücks habe. Es sollte ausgelegt werden, ob es sich hierbei um einen bloßen Realakt handele oder ob der Erlass eines VAs erforderlich war. Wir entschieden uns für Letzteres, sodass in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage statthaft wäre. Ich hatte jedoch das Gefühl, dass mit entsprechender Argumentation beide Wege vertretbar gewesen wären.
Sodann kamen wir zum Aufsuchen der Anspruchsgrundlage. Wir nannten zunächst § 29 Abs. 2 ASOG, jedoch wollte der Prüfer direkt auf die Generalklausel gemäß § 17 ASOG hinaus. Er fragte, ob es sich bei § 17 ASOG um eine taugliche Anspruchsgrundlage handele und wollte zunächst abstrakt die Merkmale einer Anspruchsgrundlage genannt bekommen. Wichtig war es der Prüfer, dass man nicht nur das Merkmal des Individualschutzes erwähnte, sondern auch sagte, dass die Norm gerade dazu bestimmt sein muss, Individualinteressen zu schützen und es sich nicht um einen bloßen Reflex handelt – dies wussten wir alle und gingen auch davon aus, dass die entsprechende Antwort bereits gegeben war, doch der Prüfer schien an manchen Stellen äußert genau, fast pingelig, auf jedes einzelne gesagte Wort zu achten. Anschließend subsumierten wir, dass § 17 ASOG die öffentliche Sicherheit (Begriff musste wiederum sauber definiert werden) schütze, welche als Teilschutzgut den Schutz von Individualrechtsgüter umfasse und somit taugliche Anspruchsgrundlage für das Begehren des A sein könne. Da als gefährdetes Individualrechtsgut das Eigentum der Bau-GbR in Betracht kam, sollte nun der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG näher untersucht werden. Im Rahmen des persönlichen Schutzbereichs musste Art. 19 Abs. 3 GG herangezogen werden. Der Prüfer wollte einerseits wissen, wie denn der Begriff der juristischen Person auszulegen sei und ob die GbR darunterfalle und andererseits, was „dem Wesen nach anwendbar“ bedeute und welche Theorien dazu vertreten werden. Auch hier wollte er sehr genaue und detailreiche Antworten hören.
Nachdem wir Art. 14 Abs. 1 GG als Teilrechtsschutzgut abgearbeitet hatten, wollte der Prüfer wissen, ob noch ein weiteres Teilrechtsschutzgut in Betracht käme. Wir nannten den Schutz der Rechtsordnung, dadurch das möglicherweise ein Hausfriedensbruch gem. § 123 Abs. 1 StGB vorlag. Der Prüfer wollte nun erläutert wissen, wie sich der fehlende Strafantrag auswirke. Hierzu sollten ein wenig argumentiert werden.
Danach kamen wir zum zweiten Tatbestandsmerkmal der polizeilichen Generalklausel: der konkreten Gefahr. Diese musste definiert und zur abstrakten Gefahr abgegrenzt werden. Ferner sollten weitere Gefahrenbegriffe, wie Anscheins- und Putativgefahr und der Gefahrenverdacht, definiert werden.
Abschließend kamen wir zur Polizeipflichtigkeit und den verschiedenen Störerarten. Der Prüfer wählt aufgrund des Gesetzeswortlaut lieber den Begriff des „Verantwortlichen“. Im Rahmen dessen sollte näher auf das Kausalitätserfordernis, also die Theorie der unmittelbaren Gefahrverursachung und deren Ausnahmen (insbes. Zweckveranlasser) eingegangen werden. Damit endete die Prüfung recht abrupt. Wir waren nur 4 Prüflinge und hatten somit nur eine Prüfungszeit von 40 min.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich der Prüfer protokollfeste Vorliebe fürs POR, das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz und genaue Definitionen hat. Darauf kann man sich gut vorbereiten, sodass die Prüfung gut zu meistern ist.