Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen im Mai 2018

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Mai 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 8,12 3,x 7,x 7,x 18
Aktenvortrag 5 4 14 11 6
Prüfungsgespräch 18 18 18 18 18
Endnote 8,27 4,05 9,41 9,1 6,x
Endnote (1. Examen) 10,19

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Sozialrecht, Europarecht

Paragraphen: §288 AEUV, §1 SGB X, §1 SGG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer stieg über die kürzlich in Kraft getretene europäische DSGVO in die Prüfung ein.
Er wollte wissen, was das ist (eine Verordnung), was es noch für Rechtsakte der EU gibt (Richtlinien, Beschlüsse, etc. – steht in Art. 288 AEUV). Anschließend wollte er wissen, wie sich die Rechtsakte unterscheiden: Die VO gilt unmittelbar, die RL muss in nationales Recht umgesetzt werden, etc. Unter welchen Voraussetzungen wirkt die RL unmittelbar? Wenn ein Mitgliedsstaat sie nicht fristgemäß in nationales Recht umwandelt und die RL hinreichend konkret ist. Auch wurde gefragt, was überhaupt ein Gesetz ist (abstrakt-generelle Regelung). Schließlich fragte er noch zum Verhältnis von BDSG und DSGVO, insbesondere ob die VO ein Mehr an Schutz bedeutet. Es fragte ebenfalls, ob es einen „Vorgänger“ zur DSGVO gab und weshalb dieser abgelöst wurde. Auch wollte er wissen was passiert, wenn ein VA gegen Europarecht verstößt. Dazu bildete er einen kleinen Fall:
Landwirte sind gesetzlich unfallversichert. Ein Niederländer betreibt ein Bauunternehmen in den Niederlanden und eine Jagdpacht in Deutschland. Sein Wohnsitz lag aber weiterhin in den Niederlanden. Er bekam dann ein Schreiben von der gesetzlichen Unfallversicherung, dass er nun Mitglied sei und die Beiträge zu zahlen haben. Dies geschah auch. Im Folgenden kam es zu einem Unfall und der Landwirt wollte die Versicherung in Anspruch nehmen. Der Prüfer fragte, was man an Stelle der Versicherung erwidern könne. In Betracht kam hier ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, da der Landwirt doppelt Versicherungsbeiträge (in den Niederlanden und in Deutschland) zahlen musste. Damit wäre der VA (das Schreiben der Versicherung) rechtswidrig, jedoch nicht nichtig.
Erklärt werden musste in diesem Kontext außerdem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das sich bekanntlich als Teil des APR aus Art. 1 I, 2 I GG ableitet. Wann wurde dieses Recht „entdeckt“? Mit dem Volkszählungs-Urteil. Aus welchem Jahr stammt das Urteil? 1983 (was niemand wusste).
Zudem wurden wir zu den einzelnen Organen der EU befragt und etwa dazu, wie ein Gesetz auf europäischer Ebene entsteht (Kommission hat Initiativrecht, eigentlicher Gesetzgeber ist jedoch der Rat).
Weiter ging es mit den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Gesetze der EU (auch in Anlehnung an den Fall mit dem Landwirt). Mittlerweile wurden die Prüflinge zusehends unsicher, weil keiner von uns mit vertieften Fragen zum Europarecht gerechnet hat. Der Prüfer wollte letztlich auf das Verhältnis zwischen BVerfG und EuGH hinaus. Hier musste man die „Solange II“ Entscheidung kennen und erklären können und zudem erläutern was es mit der ultra vires Kontrolle auf sich hat. Es wurde auch erneut der Bogen zur DSGVO geschlagen: Wieso der Gesetzgeber die DSGVO nicht einfach im BDSG „abgeschrieben“ hat, um es für den Rechtsanwender zu erleichtern. Antwort: Weil dann nicht mehr ersichtlich wäre, welcher Gesetzgeber dahinter steht und was der korrekte Rechtsweg wäre.
Anschließend wechselten wir das Thema und wurden zum Sozialrecht befragt („vom Regen in die Traufe“). Hier wurden zunächst einige Basics abgefragt, etwa wann und wofür die Sozialgerichte zuständig sind und wo das Sozialverwaltungsverfahren geregelt ist (SGB X). Der Prüfer wollte wissen, was Hartz IV ist und wie es sich zum Arbeitslosengeld I unterscheidet; was wird wie finanziert? Zudem wollte er das Schlagwort des Subsidiaritätsprinzips hören (dass Sozialhilfeempfänger also zunächst ihr eigenes Vermögen aufwenden müssen). Bei der Gelegenheit fragte er uns dann zum Unterschied zwischen Steuern, Beiträgen und Gebühren sowie zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Anstalt, Stiftung, Körperschaft des öffentlichen Rechts). Etwas abgefahren wurde es dann als er wissen wollte inwieweit sich ausländische Sozialversicherungssysteme von dem deutschen unterscheiden und wollte irgendwas zu Frankreich hören. Dort ist es scheinbar so, dass das Sozialrecht nicht ausschließlich Teil des öffentlichen Rechts ist. In dem Zusammenhang kam es auch irgendwie aufs Arbeitsrecht an. Auf diesen Fragen hatte jedoch keiner der Prüflinge eine korrekte Antwort aus dem Stegreif parat. Auch auf seine Frage, was das BSG in letzter Zeit spannendes entschieden hat, konnten wir ihm keine Antwort geben (ich weiß die Antwort nicht mehr, es war aber nichts was einen vom Stuhl gehauen hätte).
Trotz der eher exotischen und unerwarteten Themengebiete schien der Prüfer am Ende nicht unzufrieden mit dem Prüfungsgespräch gewesen zu sein. Seine Benotung war fair bis wohlwollend.
Insgesamt müsst ihr vor diesem Prüfer keine Angst haben, ihr könnt eher froh sein ihn zu haben. Wie bereits in anderen Protokollen erwähnt ist es jedoch sehr wichtig, sich vor der Prüfung noch mal mit Grundrechten/Staatsorgan zu befassen. Ich würde ihn aber nicht als protokollfest bezeichnen, da wir zumindest nicht mit Europarecht gerechnet haben. Auch sollte man sich zumindest in die Grundstrukturen des Sozialrechts einlesen.