Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Mai 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 5,58 |
Zivilrecht | 8 |
Strafrecht | 7 |
Öffentliches Recht | 6 |
Endpunkte | 7 |
Endnote | 6,05 |
Zur Sache:
Prüfungsstoff: protokollfest
Prüfungsthemen: Deliktsrecht, Zurechnungsnormen, § 280 I BGB, Vertag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, OHG, § 128 HGB, § 426 BGB
Paragraphen: §823 BGB, §280 BGB, §426 BGB, §128 HGB, §31 BGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall, Fragestellung klar
Prüfungsgespräch:
Zunächst teilte uns die Prüferin einen einseitigen Sachverhalt aus, den sie danach selbst zur Hälfte vorlas. Dieser lautete in den Grundzügen wie folgt: Rentner R wohnt in einem von der ABCOHG betriebenen Seniorenwohnheim. Zudem wird ihm dort ein Notruftelefon zur Verfügung gestellt. Dieses wurde jedoch vom Gesellschafter B der ABC-OHG unsachgemäß installiert. Eines Tages stürzte Rentner R in seinem Zimmer im Seniorenwohnheim. Da das Notruftelefon aufgrund der unsachgemäßen Installation nicht funktionierte, konnte R keine Hilfe rufen. Später wurde er dann doch noch von seiner Tochter T gefunden und im Krankenhaus behandelt. Tochter T erlitt aufgrund dessen, dass sie ihren Vater R dort derart hat liegen sehen einen Schock und musste aufgrund schwerer Depressionen ebenfalls behandelt werden. Tochter T hatte bereits vor diesem Ereignis Depressionen.
Zunächst wollte die Prüferin von einem Mitprüfling wissen, wie man generell am strukturiertesten an eine zivilrechtliche Falllösung herangeht. Daher wurde vom Mitprüfling zunächst der grundsätzliche Prüfungsaufbau erläutert:
1. Vertragliche Ansprüche
2. Quasi-Vertragliche Ansprüche
3. Dingliche Ansprüch
4. Deliktische Ansprüche
5. Bereicherungsrechtliche Ansprüche
Die erste Fallfrage zielte auf die Ansprüche des R gegen die ABC-OHG auf Ersatz der Heilbehandlungskosten und des Schmerzensgeldes ab. Zunächst begannen wir mit den vertraglichen Ansprüchen und diskutierten wir über die Einordnung des Vertrags. Wir einigten uns auf einen gemischten Vertrag, welcher dienstvertragliche sowie mietvertragliche Züge aufwies. Zunächst haben wir den Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB geprüft. Problematisch war hier die Zurechnung der Pflichtverletzung (falsche Installation durch B). Hier wurden § 128 HGB und § 278 BGB genannt und schließlich verneint. Letztlich haben wir hierbei auf § 31 BGB analog als Zurechnungsnorm abgestellt. Der Anspruch aus 280 I BGB wurde schließlich bejaht. Danach haben wir im Rahmen der deliktischen Ansprüche § 823 I BGB geprüft. Beim Prüfungspunkt „Verletzungshandlung” war zu nennen, dass es sich hier bei der Handlung des B um eine mittelbare Verletzungshandlung handelt. Letztlich wurde auch dieser Anspruch bejaht. Die Prüferin fragte nach sonstigen deliktischen Ansprüchen. Es wurde kurz § 823 II BGB i.V.m. § 229 StGB genannt, der aber nicht konkreter durchgeprüft wurde.
In der zweiten Fallfrage wurde danach gefragt, nach welcher Norm die Gesellschafter der ABC-OHG dem R gegenüber persönlich haften. Daher wurde recht kurz über die persönliche Haftung der Gesellschafter nach § 128 HGB gesprochen.
In der dritten Fallfrage wurde danach gefragt, ob auch die Tochter T des Rentners R einen Anspruch auf Ersatz der Heilbehandlungskosten gegen die ABC-OHG hat. Es wurde festgestellt, dass zwischen T und der ABC-OHG keine vertragliche Beziehung besteht, aber quasivertragliche Ansprüche in Frage kommen. Diesbezüglich wurde der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter von einem Mitprüfling genannt. Die Prüferin fragte zunächst nach den genauen Voraussetzungen (1. Leistungsnähe, 2. Schutzinteresse des Gläubigers, 3. Erkennbarkeit für den Schuldner, 4. Schutzbedürftigkeit des Dritten) und den Rechtsfolgen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (Der Schuldner ist dem Dritten gegenüber aus Vertrag oder vorvertraglichen Schuldverhältnis schadensersatzpflichtig, Haftungsausweitung: Anspruchsgrundlage wird zum Schaden gezogen). Der Anspruch der T aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wurde sodann bereits beim Prüfungspunkt Leistungsnähe verneint, da T mit den Gefahren der Leistung nicht bestimmungsgemäß genauso in Berührung kommen kann wie der Gläubiger R. Danach haben wir im Rahmen der deliktischen Ansprüche § 823 I BGB geprüft und als Schwerpunkt im Rahmen des Prüfungspunktes „Ersatzfähiger und kausaler Schaden des Gläubigers” das Problem des Schockschadens thematisiert, welchen T durch das Auffinden des R erlitten hat. Zunächst hat die Prüferin nach den Voraussetzungen des Schockschadens gefragt (Tod/Verletzung eines nahen Angehörigen führt zu schwerer körperlicher Beeinträchtigung, was auch aufgrund eines ausreichenden Anlasses nachvollziehbar ist), welche bejaht wurden. Problematisiert wurde im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität, dass T bereits vorher hatte. Ein Mitprüfling löste dies richtigerweise dahingehend, dass der Schädiger trotzdem haftet, da kein nicht zu erwartender, atypischer Kausalverlauf vorliegt. Schließlich wurde der Anspruch aus § 823 I BGB bejaht.
Die vierte Fallfrage fragte nach der Ausgleichspflicht der Gesellschafter untereinander, wenn einer der Gesellschafter den Gläubiger R befriedigt hat. Daher sind wir kurz auf den Anspruch aus § 426 BGB gegen die Mitgesellschafter eingegangen. Danach beendete die Prüferin die Prüfung.
Es gab noch eine fünfte Fallfrage, die wir aus Zeitgründen nicht besprechen konnten und welche ich auch nicht gelesen habe.