Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Niedersachsen vom September 2018

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im September 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Vorpunkte 7,4
Zivilrecht 12 10
Strafrecht 8 8 6 6
Öffentliches Recht 6 9 6 3
Endpunkte 7,8
Endnote 7,8

Zur Sache:

Prüfungsthemen:Mord, Rücktritt, kurze StPO-Fragen

Paragraphen: §211 StGB, §22 StGB, §224 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort Diskussion, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall

Prüfungsgespräch:

Die Strafrechtsprüfung war bei uns als zweites dran, sodass wir alle schon etwas entspannter waren als zu Beginn der ersten Prüfung.
Wir stiegen direkt mit einem Fall ein, der den meisten im Groben bekannt sein wird.
Der Prüfer diktierte uns den Fall zum Mitschreiben, wobei er ihn langsam vorlas. Zunächst dachte ich, dass es ja ziemlich viel zum Mitschreiben wäre, als allerdings klar wurde, um welchen Fall es sich handelt, war alles direkt entspannter.
Der Fall ging etwa wie folgt:
Der P ist nicht mehr mit seiner Exfreundin zusammen und diese will auch nichts mehr mit ihm zu tun haben. P denkt sich, wenn ich die F nicht haben kann, dann soll es auch kein anderer. Deshalb will er sie töten.
Mit dem Schlüssel zur Wohnung, den er noch hat, betritt er somit ohne Ankündigung die Wohnung.
Er hat ein Luftgewehr dabei.
Die F ist überrascht, als sie den P erblickt, ahnt aber nichts Böses. Erst als der P mit dem Luftgewehr auf sie zielt und schießt, bemerkt sie die Absichten des P. Sie kann dem Schuss gerade noch ausweichen und versucht dann vor dem P zu fliehen. Dieser holt sie ein und schlägt ihr mit dem Kolben des Luftgewehrs auf den Kopf. Die F trägt eine Platzwunde davon und will erneut fliehen. Sie kommt aber nur bis zum Fenster, wo der P sie hinausstößt, dabei aber an den Haaren festhält. P überlegt sich dann, dass es nun eigentlich genug sei und dass, wenn er die F aus dem Fenster fallen ließe, draußen eine große Blutlache zu entfernen wäre, was er unangenehm fände. Außerdem macht er sich Sorgen, dass die Nachbarn schlecht über ihn denken könnten, wenn er die F aus dem Fenster schubsen würde.
Deshalb zieht er die F dann an den Haaren zurück in die Wohnung. P verlässt diese danach, die F trägt außer der Platzwunde keine weiteren Verletzungen davon und beide gehen danach so ihrer Wege und haben danach nichts weiter miteinander zu tun.
Dass es um die Strafbarkeit des P gehen sollte, hatte Prof. Dr. Meier uns vorher schon mitgeteilt.
Der erste Prüfling sollte dann zunächst die in Betracht kommenden Delikte benennen (§ 211, § 212, § 224, § 223, § 240, die jeweiligen Delikte dann eben auch im Versuch. Ob wir noch mehr anfangs hatten, weiß ich gar nicht mehr).
Wir sprachen kurz darüber, wie und wann man mit welchem Delikt beginnen sollte, also welche Einteilung des Sachverhaltes möglich und welche sinnvoll sei. Die Nächste sollte dann mit der Prüfung des §§ 211, 22, 23 beginnen und zunächst einen sauberen Obersatz bilden. Sie stellte zuerst auf die erste Handlung, also den Schuss, ab. Dies gefiel dem Prüfer nicht so und er fragte uns, ob wir noch andere Vorschläge hätten. Leider hatten wir alle den Fall nicht mehr so ganz vor Augen und wussten nur ungefähr, worum es ging und dass es da ja dieses Rücktrittsproblem gab, aber nicht, wie wir da nochmal genau hinkamen.
Der Prüfer ließ uns dann also mit der ersten Tathandlung beginnen, wobei er sehr großen Wert auf die Definitionen legte.
Ich war mit der Heimtücke dran, wobei ich in der Definition das „in feindlicher Willensrichtung“ wegließ. Es fiel mir auch auf Nachfrage nicht ein, jemand musste helfen einspringen. Allerdings würde ich persönlich sagen, dass das mein einziger richtiger „Wackler“ in der Prüfung war, der Prüfer nahm ihn mir aber scheinbar ziemlich übel und ich konnte das auch an anderer Stelle nicht mehr ausbügeln.
Der § 211, 22, 23 ging unproblematisch durch, wir bejahten die Heimtücke und diskutierten etwas über niedere Beweggründe und warum es wichtig sein könnte, dass nur eins oder mehrere Mordmerkmale vorlägen (Bspw. wenn die besondere Schwere der Schuld festgestellt werden soll. Je mehr Mordmerkmale, desto schwerer das verwirklichte Unrecht.)
Auch der § 224 war recht unproblematisch, beim § 211, 22, 23 durch das an den Haaren aus dem Fenster halten kamen wir dann zu dem Rücktrittsproblem. Nach einigem Diskutieren bejahten wir die Freiwilligkeit, auch wenn die Motive des P moralisch verwerflich anzusehen sein könnten, der Entschluss kam aber dennoch von innen heraus.
Und da hatten wir dann den Salat, dass ja der eine versuchte Mord nun schon durchgegangen war und dass ja der Rücktritt für den P nun sowieso keinen Sinn mehr machen würde. Wir hätten also die Prüfung anders aufziehen müssen, um nachher zu der Gesamtbetrachtung für den Rücktritt zu kommen. Es hätte sich also auf das ganze Geschehen in der Wohnung beziehen müssen.
Der Prüfer war ziemlich unzufrieden mit uns, dass wir das nicht auf die Reihe bekommen haben.
Wir sprachen dann noch kurz über Strafverfolgung und dann war die Prüfung vorbei. Ich fand die Prüfung an sich okay, aber die Bewertung ziemlich hart. Ich persönlich habe zwei Punkte weniger bekommen als in meiner Strafrechtsklausur und das fand ich schon unverhältnismäßig.
Aber es gibt definitiv schlimmere Prüfer, lernt einfach die Definitionen sehr, sehr genau, darauf ritt er bei allen immer wieder herum.