Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Januar 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 | 4 |
Vorpunkte | 5,8 | 5,5 | 6,1 | 6,4 |
Aktenvortrag | 11 | 7 | 9 | 10 |
Prüfungsgespräch | 14 | 8 | 8 | 9 |
Endnote | 7,88 | 6,53 | 6,7 | 7,76 |
Endnote (1. Examen) | 6,88 |
Zur Sache:
Prüfungsthemen: Nicht bis in die kleinsten Verästelungen irgendwelche materiellen Streitstände lernen, sondern lieber die grundlegenden Basics in der kompletten Bandbreite wiederholen. Dann hat man eher die Chance, durch anleitende Fragestellung des Prüfers zu einem guten Ergebnis zu kommen, wenn er zumindest den Eindruck hat, dass man die prozessualen und materiellen Grundlagen sicher und solide beherrscht.
Paragraphen: §936 ZPO, §927 ZPO, §433 BGB, §434 BGB, §477 BGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer teilte einen SV aus. Es handelte sich um zwei Abschnitte eines Mandantenbegehrens.
Der erste Abschnitt befasste sich damit, dass gegen den Mandanten eine einstweilige Verfügung erlassen worden war, welche es dem Mdt. untersagte, bei EBAY ein technisches Gerät in der Originalverpackung mittels Einstellens von Bildern der Verpackung zu bewerben.
Der Hintergrund war, dass der Verfügungsbeantragende als Fotograf des Bildes auf der Originalverpackung seine Rechte verletzt sah.
Problematisiert werden sollte hierbei auch, dass die Verfügung am 15.01. erlassen worden war, das Gerät aber bereits am 18.01. verkauft und die Bilder somit aus dem Internet verschwunden waren.
Es waren ein Widerspruch (§ 924 iVm936 ZPO) gegen die einstweilige Verfügung und der Zugang zu prüfen. Ferner sollte der Verfügungsgrund im Hinblick auf die Wiederholungsgefahr auch bei Erstbegehung problematisiert werden.
Auch der maßgebliche Zeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Verfügung und eine nachträgliche Änderung der Umstände i.S.d. § 927 ZPO waren zu erörtern, weil die Bilder seit dem 18.01. nicht mehr im Netz standen.
Der Prüfer legte sehr großen Wert darauf, dass die Anforderungen einer Eilbedürftigkeit besonders präzise dargestellt und die von der Rechtsprechung entwickelte Monatsfrist für das Zuwarten für eine Entscheidung in der Hauptsache erkannt wurde.
Als erstes musste der richte Rechtsbehelf gegen die einstweilige Verfügung gefunden werden (Widerspruch gem. § 924 ZPO), sodann der Verfügungsanspruch (Urheberrecht) sowie der Verfügungsgrund (Eilbedürftigkeit) herausgearbeitet werden. Es wurde problematisiert, dass das Foto des Gegners nicht unmittelbar, sondern durch Abfotografieren verwendet wurde. Außerdem war zu entwickeln, dass als Verfügungsgrund die Wiederholungsgefahr in Frage kommt, welche durch die Erstbegehung indiziert ist. Danach wurde nach dem Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gefragt sowie Ausnahmen von diesem Prinzip bei Eilrechtsschutz zur Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen. Es wurde auf die Vorschriften des § 927 ZPO eingegangen und zuletzt ein Fristproblem aus § 929 Abs. 2 ZPO aufgeworfen, bei dem die Monatsfrist berechnet werden musste, wobei herausgearbeitet werden sollte, dass hierfür das Datum der Zustellung der Verfügung maßgeblich ist, welche auf dem Briefumschlag befindlich ist.
Der zweite Abschnitt des Falles beschäftige sich mit dem Begehren des gleichen Mandanten, wobei es ihm diesmal darauf ankam, einen Anspruch des Käufers des von ihm über EBAY angebotenen Gerätes abzuwehren.
Ob dieser aus Rücktritt oder Nacherfüllung resultierte erinnere ich leider nicht mehr. Es kam aber ohnehin nicht darauf an, weil der SV mitteilte, dass der Mdt. Innerhalb von 6 Monaten ca. 50 Verkäufe bei EBAY getätigt hatte, bei welchen er immer die Gewährleistung ausgeschlossen hatte.
Daraus sollten wir erkennen, dass hier möglicherweise eine gewerbliche Tätigkeit angenommen werden könnte und es sich bei ihm um einen sog. Powerseller handelte, welcher sich nicht durch einen Ausschluss der Gewährleistung gegenüber einem Verbraucher sollte, schützen dürfen.
Es wurden Fragen zum Versendungskauf und dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs sowie der Anwendung der Vorschriften zum Verbrauchsgütekauf diskutiert. Die Umkehr der Beweislast wurde erörtert und die Voraussetzungen für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit, auch ohne ein Gewerbe angemeldet zu haben (Dauerhaftigkeit, Gewinnerzielungsabsicht, Häufigkeit etc.)
Es musste letztlich erkannt werden, dass es sich um Gewährleistungsansprüche aus Kaufrecht handelt sowie die Normen gefunden werden (§ 433 ff. BGB). Sodann wurde der Begriff des Sachmangels herausgearbeitet (Vereinbarung oder übliche Verwendung). Daraufhin wurde die Bedeutung und der Zeitpunkt des Gefahrüberganges behandelt und die diesbezüglichen Unterschiede beim Versendungskauf sowie beim Verbrauchsgüterkauf gesucht (§§ 446, 447, 474 BGB). Letztendendes musste festgestellt werden, dass es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, da der Mandant im letzten halben Jahr 50 Bewertungen auf e-bay erhalten hatte und aufgrund der regelmäßigen Geschäfte Unternehmer i.S.d. § 14 BGB war. Sodann wurde behandelt, dass beim Verbrauchsgüterkauf kein Ausschluss der Gewährleistung möglich ist und dass eine Streitverkündung gegenüber dem Speditionsunternehmen in Betracht kommt und welche Wirkungen diese hat (§ 72 ZPO).Alles in Allem waren die Prüfungsfragen sehr klar und fair, auch wenn wir manchmal ein wenig auf dem Schlauch standen. Dies lag aber nicht an den Fragestellungen, sondern eher daran, dass man sich versucht auf alles vorzubereiten und dann solche simplen Dinge wie Arrest und einstweiligen Verfügung auf der Strecke bleiben. Dadurch war das Prüfungsgespräch manchmal ein wenig schleppend, aber der Prüfer hat versucht, uns durch gezielte Fragen an die darzustellenden Probleme hinzuleiten.