Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im Februar 20199. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
Vorpunkte | 48 | 31 | 46 | 32 | 46 |
Aktenvortrag | 11 | 6 | 8 | 4 | 10 |
Prüfungsgespräch | 11 | 8 | 8 | 9 | 12 |
Endnote | 8,0 | 5,32 | 6,65 | 5,5 | 8,05 |
Endnote (1. Examen) | 8,46 |
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer bildete folgenden Fall: A und B sind beide Borussia Fans. Da A keinen Führerschein hat, fahren die beiden zusammen zum Spiel. B fährt dabei den von der L-Bank geleasten Polo, A hingegen übernimmt die Spritkosten.
Die beiden haben eine Vereinbarung geschlossen, wonach A gegen B keinerlei Ersatzansprüche hat, wenn der Unfall von B nur fahrlässig verursacht wurde.
Auf dem Weg zum Spiel in Mainz beschleunigt B den Wagen in der Innenstadt auf 65 km/h; der C, welcher bei rot über eine Kreuzung gefahren ist, fährt dabei mit seinem Pkw in den des B.
A wird bei dem Unfall verletzt und möchte im Rahmen der Beratung wissen, ob/gegen wen er Ansprüche geltend machen kann.
Der Fall war übrigens nicht angelehnt an den Vortragsfall (klassischer § 831 BGB AV mit Pferd und Hund).
Zunächst wurde mögliche AGL gesucht: §§ 7, 17, 18 StVG, 823 BGB, ;zudem wurde ein mögliches Vorgehen gegen A und den C angesprochen.
Ansprüche gegen B:
1. vertragliche Ansprüche, § 280 I BGB
a) aus dem Beförderungsvertrag:
– Wir diskutierten zunächst das mögliche Bestehen einer GbR nach §§ 705 ff. BGB. Der gemeinsame Zweck bestünde dann in der Beförderung zu den jeweiligen Fußballspielen
i.E. bejahten wir die Möglichkeit eines Schuldverhältnisses (§ 280 I i.V.m. mit dem Schuldverhältnis als AGL)
b) Pflichtverletzung, § 241 II BGB hier: Verletzung von Körper/Gesundheit des A, insofern bestand eine Nebenpflicht i.S.v. § 241 II BGB
eine Vereinbarung zwischen den Parteien bzgl. § 3 StVO (Geschwindigkeit im Straßenverkehr) bestand hingegen nicht
c) Schaden, §§ 249, 253 II BGB
d) keine Widerlegung des vermuteten Vertretenmüssens
– Prüfung von § 3 StVO
– Prüfung des Haftungsausschlusses (dies dauerte tatsächlich recht lange)
– Prüfung des § 280 I 2 BGB (gesetzliche Vermutung)
Insofern ausführliche Prüfung der Darlegungs- und Beweislast: Der B muss darlegen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat
Des Weiteren gingen wir an dieser Stelle noch mal auf einen möglichen Gesellschaftsvertrag ein:
Würde ein solcher bestehen, hat der Gesellschafter bei der Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Woraus ergibt sich dann der Haftungsmaßstab? Aus § 277 BGB!
Wir diskutierten dann, warum § 708 BGB eine derartige Form der Haftung normiert. Hintergrund ist die besondere Konstellation der Gesellschaft: Aufgrund der persönlichen Beziehung der Gesellschafter zueinander, und der Tatsache, dass diese ihren andere(n) Gesellschafter frei wählen können, besteht eine Haftungsprivilegierung im Innenverhältnis, sodass der jeweilige Gesellschafter nur wegen grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet.
Vorliegend war dem B jedoch nur eine leichte Fahrlässigkeit (wegen der überhöhten Geschwindigkeit) anzulasten.
Zu beachten ist jedoch, dass § 277 BGB keine Anwendung im Straßenverkehr findet!
Wir prüften zudem noch Wirksamkeit des Haftungsausschlusses (§§ 305 ff BGB fanden insofern keine Anwendung, wenn ich mich recht erinnere) und bejahten letztendlich das Bestehen eines SEA gegen den B.
Abschließend diskutierten wir hinsichtlich des Schadens noch §§ 249 I, 253 II BGB, wobei i.R.v. § 253 II BGB in prozessualer Hinsicht zu beachten ist, dass die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs unter Angabe eines Mindesthöhe in das Ermessen des Gerichts zu stellen ist (§ 287 ZPO).
2. §§ 18, 7 StVG – Diese Prüfung sprachen wir nur am Anfang kurz an (aus Gründen der
a) Übersichtlichkeit an dieser Stelle)
b) Erforderlich für die Halterhaftung: Dass der B den Pkw auf eigene Kosten für den eigenen Gebrauch über eine gewisse Dauer hinweg nutzt; dabei wurde noch gesagt, dass dies nicht für die L-Bank als Leasingnehmer gilt
c) Wir diskutierten kurz die Konzeption des § 115 VVG: Aus § 115 VVG ergibt sich ein weiterer Anspruchsgegner, welcher dann passivlegitimiert ist (insofern ist das „Gegenstück“ die Aktivlegitimation/Prozessführungsbefugnis)
Im Ergebnis eine wirklich machbare und angenehme Prüfung!! Ich wünsche euch ganz viel Erfolg und Durchhaltevermögen für die letzten Wochen!