Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im April 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 |
Vorpunkte | 11.5 | 7.5 |
Zivilrecht | 15 | 14 |
Strafrecht | 13 | 14 |
Öffentliches Recht | 14 | 14 |
Endpunkte | 14 | 14 |
Endnote | 12.33 | 9.xx |
Zur Sache:
Prüfungsstoff: protokollfest
Prüfungsthemen: Vorab ist zu erwähnen, dass wir zu Dritt in der Prüfung waren, weswegen unsere Prüfung nur ca. 35 min gedauert hat. Wir entschieden uns zwar, in der Reihenfolge „öffentliches Recht – Strafrecht – Zivilrecht“ geprüft zu werden, jedoch kann man problemlos, sofern man hinsichtlich der Vermögensdelikte samt Definitionen, klassischen Streitständen und Prüfungsschemata gut aufgestellt ist, mit der Prüfung im Strafrecht beginnen, um einen guten Start in die mündliche Prüfung zu haben.
Paragraphen: §242 StGB, §246 StGB, §263 StGB, §303 StGB, §13 StGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall, Fragestellung klar
Prüfungsgespräch:
Zu Beginn schilderte der Prüfer den folgenden Sachverhalt (grob zusammengefasst):
Der Violinist M der Oper Frankfurt geht im Ausland auf Tournee. In seinem Eigentum befinden sich zwei Violinen. Eine davon nimmt er mit auf Tournee, die andere möchte er für die Dauer seiner Abwesenheit bei seiner Hausbank lagern. Dies ist jedoch nicht möglich, sodass er sich an eine andere Bank wendet.
Als der M aus dem Ausland zurückkehrt, möchte er die Violine abholen. Der Bankangestellte B gibt ihm jedoch, statt seiner eigenen Violine, die in einem Koffer mit Schloss verwahrte Stradivari des C. M erkennt, dass es sich nicht um seine eigene Violine handelt, sagt nichts und nimmt den Koffer samt Inhalt mit. Strafbarkeit des M?
Der Prüfer begann die Prüfung mit der Frage, wie sich M strafbar gemacht haben könnte. Direkt wurde darauf verwiesen, dass M sich, indem er den Koffer mit der darin enthaltenen Violine entgegennahm und verschwand, nach § 242 I StGB strafbar gemacht haben könnte. Dass hier eine fremde, bewegliche Sache vorliegt, war unproblematisch, sodass der Prüfer hier nicht weiter darauf eingehen wollte.
Wichtig war ihm jedoch das Merkmal der Wegnahme der Sache, insbesondere die Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses, wobei hier sowohl ausschließlicher Gewahrsam des B als auch übergeordneter Gewahrsam des C vertreten wurde. Jedenfalls kamen wir zu dem Ergebnis, dass ein durch B erteiltes, tatbestandsausschließendes Einverständnis vorlag, sodass der § 242 I StGB ausgeschlossen wurde.
Als nächstes gingen wir darauf ein, ob M sich, indem er den Koffer samt Inhalt von B entgegennahm, nach § 263 I StGB zu Lasten des C strafbar gemacht haben könnte. Eine Bejahung der Strafbarkeit wurde verneint, da C hier keinen kausalen Irrtum bei B hervorrief, sondern einen bereits bestehenden nur straflos ausnutzte.
Des Weiteren wurde über eine Strafbarkeit nach §§ 263, 13 StGB diskutiert, jedoch mangels Garantenstellung (M traf hier keine Aufklärungspflicht als Garant, da hier etwa kein besonderes Vertrauensverhältnis aufgrund enger Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und M vorlag, da- wie im Sachverhalt mitgeteilt- die Geige nicht bei der Hausbank des M, sondern einer anderen lokalen Bank einlagerte) abgelehnt.
Zuletzt wurde eine Strafbarkeit nach § 246 StGB geprüft und bejaht.
Abwandlung: M bricht das Schloss und den Koffer auf. In diesem befindet sich die wertvolle Stradivari des C nebst wertvollen Aufzeichnungen von Vivaldi. M bemerkt, dass es hierfür keinen Markt gibt und beschließt daher, den Koffer samt Stradivari an C zurückzugeben und zu behaupten, dass er den Koffer gefunden habe, um den von C ausgelobten Finderlohn iHv 5000€ zu kassieren.
Strafbarkeit des M?
Zu beginnen war hier zunächst mit der Strafbarkeit nach § 303 StGB anknüpfend an das Aufbrechen des Kofferschlosses. Der Prüfer reichte es hier, dass man diesen Tatbestand sah, auf eine genauere Prüfung verzichtete er.
Sodann war eine Strafbarkeit des M nach § 263 StGB gegenüber und zu Lasten des C zu prüfen, die an die Rückgabe der Stradivari und die damit einhergehende Entgegennahme des Finderlohnes anknüpfte. Problematisch war hier der Vermögensschaden, da das Vermögen des C durch die Wiedererlangung der Stradivari im Verhältnis zum Finderlohn erhöht und nicht etwa gemindert wurde. Dabei wurde auf den wirtschaftlichen und den juristisch- ökonomischen Wirtschaftsbegriff eingegangen.
Zuletzt wurde noch eine Strafbarkeit nach § 246 StGB geprüft, wobei der Prüfer wissen wollte, ob es möglich sei, sich eine Sache wiederholt zuzueignen, woraufhin er die unterschiedlichen Ansätze der Tatbestandslösung sowie der Konkurrenzlösung genannt haben wollte sowie deren rechtliche Relevanz (i.R.d. Konkurrenzlösung ist die Teilnahme möglich).
Damit war die Prüfung aufgrund der kurzen Prüfungszeit auch schon beendet.
Wir hatten insgesamt eine sehr gute Prüfung. Der Prüfer erwähnte dies zum Schluss explizit und sagte im Namen aller Prüfer, dass es mit einer Prüfung wie unseren richtigen Spaß mache, ein Prüfer im Staatsexamen zu sein. Die Benotung war dementsprechend wohlwollend, fair und nicht vornotenorientiert. Wir hatten alle das Gefühl unabhängig von unserer Vornote mit gleichermaßen anspruchsvollen Fragen ausreichend geprüft worden zu sein und mehr als zufriedenstellend benotet worden zu sein.
Wir würden für die Vorbereitung empfehlen, sich intensiv mit Vermögensdelikten auseinanderzusetzen und dort die Definitionen, klassischen Streitstände und Schemata zu lernen.