Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Baden-Württemberg vom Oktober 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Baden-Württemberg im Oktober 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3
Vorpunkte 7 7 7
Aktenvortrag 12 8 15
Prüfungsgespräch 10 11 13
Wahlfach 9 10 13
Endnote 8 8 9
Endnote (1. Examen) 9

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Hausrecht

Paragraphen: §284 BGB, §651n BGB, §121 BGB, §858 BGB, §903 BGB

Prüfungsgespräch: Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann die Prüfung damit, dass er schilderte, er habe in der Zeitung die folgende Überschrift gelesen: „Bundesverfassungsgericht stützt das Hausrecht des Hotelbetreibers“.
In dem geschilderten Fall ging es darum, dass die Ehefrau des NPD-Vorsitzenden einen Wellnessurlaub gebucht hat und eine Bestätigung des Hotelbetreibers erhalten hat. Ein Vertrag mit dem Hotelbetreiber ist also zustande gekommen.
Bei Anreise des Ehepaars hat der Hotelier allerdings unter Hinweis auf sein Hausrecht den Zutritt zum Hotel verweigert. Den Hotelier stört nicht die politische Einstellung, sondern ihn stört, dass die anderen Gäste Anstoß nehmen könnten.
Es ging in der Diskussion also vor allem um die Möglichkeiten des Hotelbetreibers, wie er sich eventuell rechtmäßig vom Vertrag lösen könnte, es wurden Rücktritt, Anfechtung und Kündigung diskutiert.
Zudem wurde die Möglichkeit des Ehepaares diskutiert, Schadensersatz nach § 121 BGB und nach § 284 BGB sowie nach § 253 I BGB i.V.m. § 651n II BGB zu verlangen.
Die Musterlösung wäre wohl Folgendes gewesen:
Rechtsgrundlage für ein Hausverbot ist das dem Eigentümer und dem Besitzer eines Gebäudes zustehende Hausrecht. Das Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht es seinem Inhaber, in der Regel frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt. Das Verwehren des Zutritts kann durch Hausverbot erfolgen.
In ihm kommt insbesondere die ihrerseits aus der grundrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) fließende Befugnis des Eigentümers zum Ausdruck, mit der Sache grundsätzlich nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen (§ 903 Satz 1 BGB). Danach ist der Hotelier aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich befugt, für das von ihm betriebene Hotel ein Hausverbot auszusprechen.
Der Hotelbetreiber kann hier allerdings in der vertraglich vereinbarten Zeit sein Hausrecht nicht frei ausüben, weil er vertraglich verpflichtet war, dem Ehepaar den gebuchten Aufenthalt in dem Hotel zu gestatten. Er durfte deshalb kein Hausverbot aussprechen.
Der geschlossene Hotelvertrag beschränkt also das Hausrecht des Hoteliers und steht dem Hausverbot entgegen.
Das Ehepaar hat aus dem geschlossenen Vertrag ein Recht auf Vertragserfüllung.
Mit der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtung, dem Ehepaar ein Hotelzimmer zum Zwecke der Übernachtung zur Verfügung zu stellen, steht das Hausverbot in Widerspruch und ist danach unzulässig.
Etwas anderes gilt aber, wenn der Hotelier berechtigt war, diesen Vertrag aufzulösen und die Auflösung auch herbeigeführt hat. In Betracht kommt eine Anfechtung nach § 119 II BGB wegen Irrtums über wesentliche Eigenschaften der Person.
Eine verkehrswesentliche Eigenschaft könnte die rechtsextreme politische Ausrichtung sein. Jedoch richtet sich die Frage, was verkehrswesentlich ist, nach dem konkreten Vertrag. Für einen Hotelvertrag ist die politische Einstellung eines Vertragspartners ohne Bedeutung.
Die Anfechtung scheitert zudem schon an der Frist. Eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB wegen eines Irrtums über eine Eigenschaft der Kläger scheitert schon daran, dass der Hotelier sie nicht unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt hat. Dass der Hotelbetreiber die Kläger wegen deren politischer Überzeugung nicht als Gast in seinem Hotel wünscht, hat er zu spät erstmals geltend gemacht.
Diese nachgeschobene Begründung mag bei wohlwollender Betrachtung als Anfechtungserklärung zu verstehen sein. Den Grund kannte der Hotelier aber schon vorher. Die später erklärte Anfechtung kann nicht als unverzüglich angesehen werden.
Da es sich bei dem Hotelvertrag um ein, wenn auch nur sehr begrenztes Dauerschuldverhältnis handelt, kommt eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht. Ein wichtiger Grund hat jedenfalls primär eine Vertragsverletzung des Gekündigten zur Voraussetzung; sie liegt hier aber nicht vor.
Dem Hotelier bleibt angesichts der eingegangenen vertraglichen Bindung auch die Berufung darauf versagt, berechtigte Belange anderer Hotelgäste begründeten ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung des Hausverbots.