Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im September 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 7.72 |
Prüfungsgespräch | 13 |
Endnote | 9.04 |
Endnote (1. Examen) | 7.75 |
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer diktierte folgenden Fall, welchen er selbst verhandelte in der Vergangenheit:
A verlässt gegen 4:30 die Disco mit seinen Freunden. Vor der Disco steht ein Polizeiwagen, welcher von innen beleuchtet, jedoch unbesetzt ist. In der Nähe findet ein Polizeieinsatz statt, von welchem die Beteiligten noch nichts mitbekommen haben. Zur Belustigung seiner Freunde, stellt sich A neben den Polizeiwagen und tut so, als ob er an das Auto urinieren würde. Er wollte das Auto nicht wirklich anpinkeln, sondern es nur andeuten. Aus der Ferne kommen rufend zwei Polizisten. Nachdem A nicht auf deren Rufe reagierte, mussten sie aus ihrer Sicht sofort einschreiten. Dazu schmeißen sie ihn auf die Motorhaube und halten ihn fest. A versucht sich aus deren Griff zu befreien, in dem er seinen Körper hin und her wendet. Während der Aktion ruft der A den Polizisten Schimpfwörter wie „Wichser“ zu. A wurde fixiert und in das Auto gesetzt. Während der ganzen Aktion wandte ich A immer wieder hin und her.
Wie könnte sich A strafbar gemacht haben?
Zunächst wollte Herr Müller Fröhlich, dass der erste Prüfling Delikte nennt, die überhaupt in Betracht kommen. Es wurden die §§ 113 ff. StGB, § 185 durch den Ausspruch „Wichser“ und die „Urinier Geste“, § 303 StGB und § 223 StGB genannt.
Es wurde mit § 113 StGB angefangen. Es mussten die verschiedenen TB-Merkmale definiert werden.
Dann wurde auf § 113 III StGB geprüft. An dieser Stelle haben wir die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung geprüft. Dazu haben wir einen Ausflug ins PAG! gemacht. Es sollte geklärt, ob die Maßnahmen der Polizei einer der Standardbefugnissen entsprechen oder der Generalklausel. Der Prüfer fragte dann weiter welche Sicht für die Annahme einer Gefahr entscheidend sei (ex ante Sicht eines Durchschnittsbeamten). Bevor ein Prüfling die Vollstreckungsvoraussetzungen noch anprüfen wollte, beendet der Prüfer den Ausflug in PAG. Die Diensthandlung war rechtmäßig und verhältnismäßig. Zur Verhältnismäßigkeit wollte der Prüfer Argumente dafür und dagegen hören.
Anschließend wurde §§ 303I, III, 22, 23 I StGB geprüft. Der Prüfer wollte zumindest den Aufbau und Definitionen des Versuchs hören. Der Tatbestand wurde aufgrund mangelnden Tatentschlusses abgelehnt.
§ 185 hinsichtlich der Schimpfwörter wurde schnell bejaht Dann begann der Schwerpunkt des Falles. Es sollte geklärt werden, ob allein durch die Geste des „Anpinkelns“ eine Beleidigung vorliegen kann. Hier haben wir viel diskutiert. Die Thematik der Kollektivbeleidung stand hier logischerweise im Vordergrund. Es wurden Vergleiche gezogen zu den Fällen „Soldaten sind Mörder“ und den „ACAB-Fällen“. Hier wollte der Prüfer genau wissen, wie diese Fälle von der Rechtsprechung gelöst worden sind. Schlussendlich kamen wir zu dem Ergebnis, dass eine Beleidigung nicht gegeben war. Es handelte sich eher um eine OWiG, wobei der Prüfer dazu keine Details wissen wollte.
Anschließend wurden noch kurz §§ 114, 223 StGB geprüft, jedoch abgelehnt.
Der Prüfer stellte einen weiteren Fall, welcher das Prozessrecht behandelte:
T hat Geldsorgen. Er bricht in ein Haus ein und möchte kleinere Schmuckgegenstände stehlen. Im Haus wird er gefasst. Er sagt jedoch der Polizei, dass er nur einen Schlafplatz für die Nacht suchen wollte. Das Gericht hat daraufhin einen Strafbefehl hinsichtlich eines Hausfriedensbruchs erlassen.
Drei Wochen nach dem Erlass findet die Beamten den Rucksack von T im Haus. In dem Rucksack finden sie Skizzen vom Haus und eine Liste von Kunsthändlern.
Darf T nochmals angeklagt werden wegen eines versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl?
Es sollte zunächst die Rechtskraft des Strafbefehls erläutert werden. Diese tritt mit Ablauf der Einspruchsfrist ein. Dann steht er einem Urteil gleich. Der Grundsatz „ne bis in idem“ nach Art 103 GG sollte hier fallen.
Anschließend wurde das Stichwort „Strafklageverbrauch“ genannt. Dies sollte erläutert werden. Es musste diesbezüglich die Prozessuale Tat definiert werden. Wird wegen derselben proz. Tat erneut Anklage erhoben, stellt dies ein Verfahrenshindernis nach § 206a StPO dar.
Der Prüfer fragte, ob man hier dennoch was machen könnte. Es mussten §§ 362, 373a StPO genannt werden.
Dann war die Prüfung zu Ende. Es empfiehlt sich wirklich die Basics drauf zu haben, denn der Prüfer wollte immer wieder Definitionen und Grundsätze in der StPO hören.
Viel Erfolg !