Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung im Niedersachsen im September 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 40 |
Zivilrecht | 11 |
Strafrecht | 11 |
Öffentliches Recht | 12 |
Endpunkte | 74 |
Endnote | 8,34 |
Prüfungsgespräch:
Die Prüfung begann mit einem ZPO-Teil. Dieser war recht speziell und kam unerwartet. Er begann mit den Worten, dass er des Öfteren hören würde: „Recht haben und Recht bekommen, sind zwei unterschiedliche Dinge“. Er wollte dann Ausführungen dazu hören, was dieser Satz bedeuten könnte. Dazu begann er bei der ersten Kandidatin und ging dann der Reihe nach durch. Er wollte darauf hinaus, dass es oft Probleme geben kann, sein Recht durchzusetzen. Dazu haben wir dann erstaunlich viel und detailreich geredet. Es ging unter anderem um den Unterschied von materiellem und formellem Recht, was es für Prozesshindernisse gibt und auch die Maxime in der ZPO konnten eingebracht werden. Insgesamt gestaltete sich der ZPO-Teil eher zäh und war etwas unangenehm. Ich kann mich nicht mehr genau an den Ablauf erinnern, da ich keine Ahnung von der ZPO habe und mich in diesem Teil nicht wirklich überragend fand. Ich habe versucht alles einzuwerfen, was ich weiß und war sehr froh, als wir zum nächsten Teil übergegangen sind. Es ging aber unter anderem auch noch um Zwangsvollstreckung und wie vollstreckt werden kann. Dabei wollte er die Voraussetzungen einer dafür wissen. Ich meine es war Titel, Klausel, Antrag? Er ging dann noch näher auf die Klausel ein und warum es nur eine Ausfertigung mit Klausel gibt. Diese Frage ging an mich. Ich antwortete, dass es deshalb nur eine Klausel gibt, damit der Gläubiger nur auf einem Weg vollstrecken kann, also entweder durch den Gerichtsvollzieher oder andere Vollstreckungsorgane aber nicht mit mehreren gleichzeitig.
Als der erste Teil vorüber war, hat der Prüfer einen Fall ausgeteilt. Dieser ging in etwa so: Ein Kaufmann will aus einem Katalog die Tasche 0815 zum Preis von 50€ bestellen. Bei der Bestellung gibt er versehentlich eine andere Artikelnummer an und schreibt, er wolle die Tasche 0814 haben, die aber 150€ kostet. Anschließend sendet der Verkäufer V dem K die Tasche 0814 zu. Daraufhin bemerkt K seinen Irrtum und erklärt, er wollte vom Vertrag zurücktreten.
Wie sich einige Leser nun sicher schon denken, handelt es sich hierbei wirklich nicht um einen schweren Fall. Die Schwierigkeit lag eher darin, sofort etwas dazu sagen zu müssen, im Detail und in der angespannten Prüfungssituation.
Wir haben also zuerst geprüft, ob hier ein Rücktritt vorliegen könnte. Voraussetzung dafür wäre unter anderem ein Sach- oder Rechtsmangel nach §§ 433, 437 Nr.2, 434, 323 I BGB, der aber nicht vorliegt. Spätestens hieran ist der Rücktritt also gescheitert. Des Weiteren muss die Willenserklärung des K gem. §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden. Daraus ergibt sich, dass er gar nicht zurücktreten will, sondern vielmehr entweder Anfechten gem. §§ 119ff. BGB oder widerrufen gem. § 355 BGB. Aufgrund seiner Kaufmannseigenschaft scheidet ein Widerruf aus. Wir haben daraufhin noch eine Weile über die Anfechtung geredet. Also welche Voraussetzungen sie hat und was der Unterschied zwischen Widerruf und Anfechtung ist. Der Unterschied ist unter anderem der Zeitraum, in dem angefochten bzw. widerrufen werden kann (unverzüglich und 14 Tage) und die Rechtsfolge bzgl. des Schadensersatzes.
Leider war der Prüfer bei unserer Prüfung bzgl. des Handels- und Gesellschaftsrechts nicht Protokollfest. Dies wurde überhaupt nicht abgefragt.