Bei den nachfolgenden Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom April 2019 im zweiten Staatsexamen in Rheinland-Pfalz. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsfach: Öffentliches Recht
Gedächtnisprotokoll:
Der Sachverhalt sollte aus Sicht einer Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße rechtlich gewürdigt werden. Der Bearbeitervermerk enthielt darüber hinaus keine Besonderheiten.
Der Sachverhalt hat sich wie folgt gestaltet (die genauen Daten können nicht mehr wiedergegeben werden – es gab aber auch kein Fristenproblem):
Der Kläger betreibt seit einiger Zeit in Neustadt an der Weinstraße eine Rauchergaststätte, an deren Eingang die Kennzeichnung als Rauchergaststätte angebracht ist.
Die Gaststätte besteht aus einem Hauptschankraum im Erdgeschoss (ca. 50 qm) mit 40 Sitzplätzen. Daneben verfügt die Antragstellerin über 80 Sitzplätze im Freien auf einer Fläche von rund 100 qm.
In der Vergangenheit dufte der Kläger nur im Schankraum seine Gäste bedienen. Zwischenzeitlich erweiterte die Stadt Neustadt mittels Bescheid die Gaststättenerlaubnis des Klägers auf den Betrieb der Außenbewirtung. Darüber hinaus erteilte sie ihm jedes Jahr eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis für die Außenbewirtung, zuletzt für das Jahr 2019.
Im Internet warb der Kläger für seine Gaststätte damit, dass er ein vielfältiges Angebot von Kaffee und Kuchen bis hin zu leckeren Baguettes, Flammkuchen mit Schafskäse, und einem großen Angebot an Weinen bereithalte. Dabei warb er insbesondere mit dem Flammkuchen aus dem Steinofen. Die Flammkuchenkarten war sehr ausgiebig gestaltet. Außerdem gibt es auf der Speisekarte von 12 Uhr bis 22 Uhr warmen Apfelstrudel mit Vanilleeis. Zudem finden – laut seiner Webseite – bei ihm in der Gaststätte Live-Musik und Bilderausstellungen statt. Auf der Webseite des Klägers findet sich an keiner Stelle ein Hinweis darauf, dass es sich bei der Gaststätte der Antragstellerin um eine Raucher-Gaststätte handelt. An der Tür zu seiner Gaststätte ist jedoch ein Schild angebracht, das darauf hindeutet, dass es sich um ein Raucherlokal handelt.
Schon zu einem früheren Zeitpunkt hat der Kläger von der Stadt die „Auflage“ bekommen, dass die Gaststätte als Nichtraucher-Gaststätte sowohl im Innen- als auch dem Außenbereich zu führen ist. Zu diesem Zeitpunkt entsprach das Speisenangebot der Antragstellerin bereits weitgehend dem heutigen Angebot.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und suchte um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach, weil sie warme Speisen wie Flammkuchen anbieten wollte. Daraufhin hat die Stadt die Ordnungsverfügung wieder aufgehoben und das gerichtliche Eilverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
Zum jetzigen Zeitpunkt haben Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt bei einer Kontrolle in der Gaststätte des Klägers festgestellt, dass nach wie vor Flammkuchen angeboten wurden. Daraufhin wies die Stadt den Kläger erneut darauf hin, dass derartige Speisen in einer Rauchergaststätte nicht verabreicht werden dürften und bat um Mitteilung, ob die Gaststätte künftig als Raucher- oder Nichtrauchergaststätte geführt werden solle. Eine Reaktion des Klägers darauf erfolgt nicht.
Bei einer weiteren Gaststättenkontrolle am trafen Mitarbeiter der Stadt einen Gaststättenmitarbeiter des Klägers an, der gerade einen Flammkuchen frisch zubereitete. Nur der Boden war tiefgefroren, der Belag wurde frisch verarbeitet und der Schmand hierfür frisch zubereitet. Bei Überprüfung der Kühlgeräte konnten die weiteren Speisen, die auf der Speisekarte angeboten werden, festgestellt werden.
Nach erfolgter Anhörung gab die Stadt dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, die Gaststätte ab Bekanntgabe des Bescheids rauchfrei zu führen und als Nichtrauchergaststätte zu kennzeichnen (Ziffer 1) sowie dafür Sorge zu tragen, dass das gesetzliche Rauchverbot in der Gaststätte eingehalten wird (Ziffer 2).
Für den Fall, dass die Antragstellerin diesen Forderungen nicht Folge leistet, wurde für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffern 1 und 2 die Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht (Ziffer 4).
Zur Begründung führte die Stadt aus, bei den angebotenen Speisen handele es sich nicht mehr um einfach zubereitete Speisen im Sinne des § 7 Nichtraucherschutzgesetz RLP.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er behauptet, dass er zwar kleine Speisen als Nebenleistung in ihrer hauptsächlich durch den Getränkeausschank geprägten Gaststätte anbietet. Hierzu zählten fertig eingekaufte Flammkuchen, die aufgewärmt und auf einem Holzbrett ohne Besteck serviert würden. Sämtliche dieser Speisen würden als untergeordnete Nebenleistung zum Verzehr aus der Hand angeboten. Soweit die Stadt behaupte, dass auch Apfelstrudel angeboten werde, sei dies nicht zutreffend, denn dieser werde nur im Außenbereich der Gaststätte angeboten.
Er ist außerdem der Ansicht, dass die Anordnung des Sofortvollzuges willkürlich sei und auch aufgrund einer Interessenabwägung nicht geboten sei.
Obwohl die Sach- und Rechtslage bei der früheren Verfügung exakt die gleiche gewesen sei, habe die Stadt nun erneut eine Verfügung erlassen, die das Rauchen in der Gaststätte des Klägers verbiete. Die Sach-und Rechtslage habe sich in der Zwischenzeit jedoch nicht verändert. Nachdem die Stadt damals ihre eigene Entscheidung aufgehoben habe und seit nunmehr annähernd sieben Jahren nichts mehr passiert sei, genieße die Gaststätte letztendlich Bestandsschutz.
Außerdem sei die Anordnung des Sofortvollzuges unverhältnismäßig, nachdem die Stadt über sieben Jahre untätig geblieben sei. Die Gaststätte sei immer wieder vom städtischen Ordnungsdienst kontrolliert worden. Dennoch habe die Stadt bewusst den Betrieb der Gaststätte über sieben Jahre lang geduldet, ohne dass das Speisenangebot des Klägers beanstandet worden wäre. Er hätte sich deshalb darauf verlassen, dass sie sich in einem rechtlich einwandfreien Rahmen bewegt habe.
Im Übrigen wäre die Aufrechterhaltung des Sofortvollzuges in höchstem Umfang schädigend, er ihren Hauptumsatz durch Getränke erwirtschafte.
Die Stadt als Beklagte führt dagegen aus, die in der Gaststätte angebotenen Speisen (insbesondere Flammkuchen in 3-facher Ausfertigung, Apfelstrudel) fielen nicht mehr unter den eingeschränkten Leistungsumfang. Diese Speisen stellten teilweise vollständige Mahlzeiten dar. So entspreche der auf dreierlei Art frisch zubereitete Flammkuchen nicht den Speisen, die für den Bereich der Getränke geprägten Kleingastronomie typisch seien. In der Gesetzesbegründung zum Nichtraucherschutzgesetz sei auch Kuchen als nicht einfach zubereitete Speise aufgeführt; im Kühlschrank der Antragstellerin hätten sich dennoch diverse Kuchensorten befunden. Bei dem Speiseangebot des Klägers handele es sich im Übrigen nicht nur um untergeordnete Nebenleistungen, sondern zumindest um gleichwertige Angebote in Bezug auf die Getränke. Von den diversen Speisen seien ausweislich der Getränke- und Speisekarte lediglich Apfelstrudel nur auf den Außenbereich beschränkt. Aber selbst diese Beschränkung werde nicht eingehalten, wie sich aus den Ergebnissen der Kontrolle vom ergebe. Zum Zeitpunkt der weiteren Kontrolle habe es keine Außenbewirtung gegeben, jedoch habe sich Apfelstudel in den Kühlschränken befunden.
Entgegen der Darstellung des Klägers sei es bei der jetzigen Verfügung nicht so, dass es sich um eine identische Verfügung (wie die damalige) bei unverändertem Sachverhalt handeln würde. Zum einen sei die damals angeordnete Rauchfreiheit unzutreffend auch auf den Außenbereich der Gaststätte erstreckt worden und zum anderen werde der Flammkuchen ausweislich der Kontrollergebnisse nunmehr frisch zubereitet und nicht mehr lediglich ein einfaches Fertigprodukt verwendet, wie dies der Kläger seinerzeit getan habe. Während ein lediglich aufzuwärmender Fertigflammkuchen noch als einfach zubereitete Speise im Sinne des Gesetzes verstanden werden möge, könne bei einem frisch zubereitenden Erzeugnis, bei dem der Belag frisch verarbeitet (auf dreierlei Art und auf Wunsch auch mit Käse extra) und sogar der Schmand hierfür eigens angerührt werde, keine Rede mehr von einer einfach zubereiteten Speise sein.