Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Niedersachsen vom Dezember 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im Dezember 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 23,5
Zivilrecht 9
Strafrecht 12
Öffentliches Recht 9
Endpunkte 53,5
Endnote 6,1

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest, aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Werkvertrag, Unterlassungsanspruch, informationelles Selbstbestimmungsrecht, ZPO

Paragraphen:§633 BGB, §280 BGB, §611 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein

Prüfungsgespräch:

Zuerst gab es, wie aus früheren Protokollen hervorgeht, ein kleines „Warm-Up“. Dabei wurde von links nach rechts durch die Reihe gegangen und allgemeine, kurze Fragen zum Zivilrecht gestellt. Welche Prüfungsreihenfolge gibt es im Zivilrecht? (Gesetzlich, Geschäftsähnlich, Sachenrecht, Deliktisch, Bereicherungsrechtlich) Was ist Privatautonomie? Wo ist die Privatautonomie geregelt?
(Art. 2 I GG)
Anschließend wurde uns ein kurzer Fall ausgeteilt. Zusätzlich wurde uns der Fall vorgelesen: A beauftragt U mit der Installation einer Überwachungskamera auf seinem Grundstück.
Die Kamera ist nicht beweglich und lässt sich nicht steuern. Der Nachbar von A hat ihn erfolgreich auf eine Unterlassung verklagt. Nun möchte der Nachbar Schadensersatz von U haben. Wir sollten die einschlägige Norm finden. Zuerst gingen wir in die ZPO. Jedoch war dies zu kompliziert gedacht; wir sollten vielmehr die „normale“ Anspruchsgrundlage finden. Ich schlug den Werkvertrag vor, welcher auch einschlägig war. Danach wurde ich gefragt, ob noch andere Verträge in Betracht kamen. Ich habe den Dienstvertrag genannt (wegen der Überwachung), jedoch wollte der Prüfer wohl auf den Werklieferungsvertrag hinaus, was ein Mitprüfling erkannte. Hinzu erläuterten wir noch die Absorptionstheorie und die Kombinationstheorie und wandten dies auf den konkreten Fall an. Als Anspruchsgrundlage kam §633 III BGB in Betracht, den wir anschließend geprüft haben. Innerhalb dieser Prüfung mussten wiederrum andere Normen geprüft werden. Wir gingen wieder in eine Norm aus der ZPO, die im Ergebnis jedoch verneint wurde. (Tipp: Ihr solltet euch in sollen Fällen die Personenkonstellationen gut aufzeichnen und euch notieren, welche Anspruchsgrundlage durchging oder nicht, sonst können die Inzident Prüfungen schnell verwirrend werden).
Zudem haben wir auch einen Schadensersatzanspruch aus §280 BGB geprüft. Wir fragten uns, was die Pflichtverletzung des U gewesen sein könnte. Unter anderem fielen die Worte Mangelfolgeschaden und Begleitschaden, die jedoch nicht einschlägig waren. Vielmehr kam eine Pflichtverletzung des U in Form einer Beratungspflichtverletzung in Betracht, da U den A nicht auf die Rechtslage über die Anbringung einer Überwachungskamera hinwies. Auch hier gab es viel Raum für eigene Argumentation, ob der U denn den A überhaupt aufklären musste. Als weitere inzidente Prüfungsgrundlage kam §1004 BGB analog ins Spiel. Hier prüften wir, ob §1004 BGB das APR schützt und ob diese hier verletzt worden sein könnte. Der Nachbar machte geltend, in seinen Rechten verletzt worden zu sein, da er die Anbringung der Überwachungskamera als Störung betrachtete. Hier gab es Raum zur eigenen Argumentation, zum Beispiel, dass die Kamera in einer gewissen Weise angebracht worden ist und nicht verstellbar ist. Wir wurden auch gefragt, wie die Lage wäre, wenn eine Kameraattrappe angebracht worden wäre. Ich brachte das Argument ein, dass der Nachbar sich, selbst wenn die Kamera eine Attrappe wäre, dennoch zu bestimmten Handlungen/Unterlassungen „genötigt“ fühlen würde, solange er nicht weiß, dass sie nicht echt sei.
Zum Schluss haben wir den Fall leicht abgewandelt und fragten uns, wie denn die Lage wäre, wenn A zu dem Nachbarn gesagt hätte, dass er „den Nachbarn im Blick hat“. Nachdem wir dies besprochen hatten, war die Zeit auch schon rum.