Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen vom Januar 2020

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Januar 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3
Vorpunkte 10 6 4,37
Aktenvortrag 10 8 6
Prüfungsgespräch 11 7 9,33
Endnote 10,3 6,5 6,02
Endnote (1. Examen) 10,33

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Deliktsrecht, Haftungsrecht, Vereinsrecht

Paragraphen: §823 BGB, §31a BGB, §40 BGB, §254 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort

Prüfungsgespräch:

Als protokollfest kann dieser Prüfer leider nicht bezeichnet werden. In unserer Prüfung kam zudem nichts Aktuelles dran und auch nichts prozessuales.
Auf unseren Plätzen lag bereits ein Fall mit mehreren Abwandlungen, von denen wir aber nur die erste schafften. Es war auch bei uns ein Fall aus Anwaltssicht, wobei die Rolle des Anwalts dabei nicht genauer beleuchtet werden musste. Wir führten in erster Linie eine „normale“ materielle Prüfung durch.
In der Sache ging es um eine Mandantin, die Vorsitzende eines Rudervereins in Kassel ist. Der Verein hat ein Bootshaus in der Nähe der Fulda. Die Ruderer müssen mit ihren Booten über einen öffentlichen Fußweg gehen, um an den Steg zu gelangen, von wo aus sie in die Fulda starten können. Der Bereich der Steganlage am Ufer der Fulda ist von dem Verein gemietet. Der Steg ist Drahthalterungen am Ufer befestigt und für jedermann zugänglich. Er ragt in das Wasser hinein und steigt mit dem Wasser. Sobald also ein Boot vorbeifährt, bewegt sich der Steg. Dadurch besteht das Risiko, dass jemand ins Wasser fallen könnte. Auf dem öffentlichen Fußweg, der parallel zum Fluss verläuft, herrschen durch Bepflanzungen eingeschränkte Sichtverhältnisse. Obwohl das Fahrradfahren auf dem Weg verboten ist und entsprechende Hinweisschilder aufgestellt wurden, nutzen viele Fahrradfahrer den Weg dennoch.
Die Vorsitzende des Vereins macht sich nun Gedanken um Haftungsrisiken des Vereins. Diese sollten wir sodann im Hinblick auf Fahrradfahrer, Fußgänger und Vereinsmitglieder prüfen.
Begonnen wurde mit den Fahrradfahrern. Wir prüften § 823 BGB und kamen auf Verkehrssicherungspflichten zu sprechen. Ziemlich schnell sprangen wir dann auch auf die Vorschriften über Vereine im BGB. Der Prüfer wollte hören, dass es sich bei einem eingetragenen Verein um eine juristische Person handelt und dass der Vorstand ein Organ des Vereins ist. Auch sprachen wir über § 31 BGB und dass der Verein zur Haftung durch ein Organ handeln muss. Die Handlung der Mitglieder (falls es z.B. beim Überqueren des Fußweges zu einer Kollision mit einem Fahrradfahrer kommen würde) kann dem Verein deshalb nicht zugerechnet werden. Kurz erwähnten wir in dem Zusammenhang auch, dass § 831 BGB nicht greift, da Vereinsmitglieder nicht als Verrichtungsgehilfen anzusehen sind. Wir sollten dann Ideen vorbringen, wie man Kollisionen zwischen Vereinsmitgliedern und Fahrradfahrern vermeiden könnte. Dabei kamen von den Kandidaten die Vorschläge, Gefahrenschilder z.B. auch auf Seiten des Bootshauses für die Vereinsmitglieder aufzustellen und diese über die Gefahren separat aufzuklären. Auch kamen wir zu dem Schluss, dass im Verhältnis zu den Fahrradfahrern aufgrund des Verbots, den Weg als Fahrradfahrer überhaupt zu nutzen, wegen § 254 BGB und eines überwiegenden Eigenverschuldens eine Haftung gänzlich ausgeschlossen ist.
Im Hinblick auf Fußgänger besteht das Risiko einer Kollision mit den Vereinsmitgliedern eher nicht, da diese natürlich nicht so schnell unterwegs sind wie Fahrradfahrer. Deshalb befassten wir uns mit dem Steg und der Gefahr, dass Fußgänger ins Wasser fallen könnten. Wir kamen wieder auf die Verkehrssicherungspflicht zu sprechen und dass es sich bei dem Steg um eine Gefahrenquelle des Vereins handelt. Wir sprachen über die Möglichkeit, dort auch Hinweisschilder aufzustellen. Wir besprachen, was darauf geschrieben werden könnte (z.B. Nutzung nur für Vereinsmitglieder; Steg beweglich; Betreten auf eigene Gefahr). Auch sollten wir kurz sagen, ob es sinnvoll wäre, jemanden zur Aufsicht dort hinzustellen. Allerdings scheitert diese Option an dem zeitlichen und finanziellen Aufwand.
Dann besprachen wir noch kurz die Haftungsrisiken im Hinblick auf Vereinsmitglieder. Wir dachten über die Option nach, die Haftung vertraglich auszuschließen. So kamen wir auf die Vereinssatzung. § 31a BGB wurde hier relevant und die Frage, ob die Vorschrift dispositiv ist. Die Lösung fanden wir in § 40 BGB. Wir kamen dann zu dem Schluss, dass in der Satzung die Haftung für verschiedene Haftungsstufen (einfache, grobe FLK) ausgeschlossen werden könnte, jedoch nicht für Vorsatz, da ein solcher Haftungsausschluss von der Rspr. ausdrücklich ausgeschlossen wurde.
Insgesamt war die Prüfung fair, aber etwas untypisch. Zum einen hielten wir uns sehr viel im Bereich der §§ 21 ff. BGB auf und zum anderen wollte der Prüfer viele Ideen auf tatsächlicher Ebene von uns hören, ohne dass dabei juristische Fähigkeiten wirklich relevant wurden (Hinweisschilder etc.). Aufgrund der kleinen Prüfungsgruppe war die Prüfung recht kurz und wir hielten uns die ganze Zeit über an dem einen Fall auf.