Gedächtnisrotokoll einer echten Klausur zum 1. Staatsexamen – NRW vom Oktober 2019

Bei den nachfolgenden Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom Oktober 2019 im ersten Staatsexamen in NRW. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsfach:  Strafrecht

Gedächnisprotokoll:

A wohnt mit ihren Kindern, dem einjährigen S und der zweijährigen T in einer Wohnung in Köln. B, der Lebensgefährte der A, kann sein Miete nicht mehr bezahlen und zieht zu A. A und B sind beide drogenabhängig.
A arbeitet nach dem Tod ihres Ehemannes in Nachtschicht bei einem Logistikunternehmen. Durch die anstrengende Nachtarbeit ist A zunehmend erschöpft und müde. Daher übernimmt B auf Bitte der A öfters die Ernährung und Pflege der Kinder. Zum Teil übernimmt B auch selbstständig diese Aufgaben. Eines Tages ist B sehr unzufrieden über die aktuelle Situation und mit der Betreuung der Kinder überfordert. Er ruft die A zu sich und erklärt ihr: „Ich werde mich zukünftig nicht mehr um Deine blöden Kinder kümmern. Schau, dass du das alleine auf die Reihe bekommst“.
A ernährt und pflegt ihr Kinder daraufhin ebenfalls nicht. Diese verwahrlosen zunehmend. Dabei ist A bewusst, dass die Kinder erhebliche Schmerzen erleiden und auch sterben könnten. Sie denkt sich aber: „Das ist mir alles zu viel. Das ist mir jetzt auch alles völlig egal“. Auch B erkennt die Zustände der Kinder und die Möglichkeit, dass diese ohne Ernährung sterben könnten, unternimmt allerdings aus Gleichgültigkeit nichts. Dabei ist A und B jeweils bewusst, dass sie ohne Weiteres die Kinder ernähren und dadurch retten könnten.
Als die Nachbarin N von den Zuständen der Kinder erfährt, alarmiert sie das Jugendamt, das die Kinder vor den Augen der regungslosen A aus der Wohnung schaffen. Die Kinder überleben, haben allerdings durch die Unterernährung erhebliche Schäden an inneren Organen erlitten und müssen daher auf der Intensivstation behandelt werden. Nach mehreren Wochen sind die Verletzungen allerdings folgenlos abgeheilt. Hätten die Kinder in den nächsten zwei Tagen nach dem Eingreifen des Jugendamtes keine Nahrung erhalten, wären sie gestorben.
Aufgabe 1:
Wie haben sich A und B nach dem StGB strafbar gemacht?
Fallfortsetzung:
S und T werden in einer Pflegefamilie untergebracht. Eines Tages bietet die abergläubische Freundin C der Familie an, mit S und T einen Ausflug zu unternehmen. Die Pflegeeltern stimmen dem zu. C versichert ihnen, dass sie gut auf die beiden aufpassen werde. C besteigt mit den Kindern, die beide noch nicht schwimmen können, ein Schiff, um eine Seen-Rundfahrt zu unternehmen. Plötzlich rast ein Motorboot aufgrund eines Defekts der Steuerung auf das Schiff zu und kollidiert mit diesem. Das Schiff kentert und geht unter. C, T und S fallen ins Wasser. C rettet T und schwimmt mit ihm mit Mühe an das Seeufer, wo beide medizinisch versorgt werden. S wird kurz nachdem er in das Wasser fällt bewusstlos und ertrinkt. C stellte sich vor, beide Kinder retten zu können. Sie rettete S allerdings nicht, da sie davon ausging, dass S ein schlechtes Wesen habe, das erst in späteren Lebensjahren zum Vorschein kommen werde. Sie ließ S ertrinken, um die zukünftige Bevölkerung vor ihm zu schützen. Tatsächlich war es der C allerdings nur möglich ein Kind zu retten, da sie eine schlechte Schwimmerin war.
Aufgabe 2:
Wie hat sich C nach dem StGB strafbar gemacht? Berücksichtigen Sie dabei nur Straftatbestände aus dem 16. Abschnitt des StGB.
Eventuell erforderliche Strafanträge gelten als gestellt. Gehen Sie bei der Bearbeitung davon aus, dass A, B und C völlig schuldfähig sind.