Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW vom Juni 2020

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im Juni 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 6,1
Zivilrecht 9
Strafrecht 9
Öffentliches Recht 9
Endpunkte 9
Endnote 7,2

Zur Sache:

Prüfungsthemen: falsche Verdächtigung, Verleumdung

Paragraphen: §145d StGB, §187 StGB, §164 StGB, §359 StPO, §193 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall

Prüfungsgespräch:

Die Prüferin begann die Prüfung, indem sie erklärte, sie wolle als Einstieg einen wirklich kurzen (!) Fall stellen und danach kämen dann die Fragen.
Der B ist angeklagt. Er ist unschuldig aber die Beweislage ist sehr schlecht. Aus diesem Grund sagt er im Prozess aus, dass der Hauptbelastungszeuge C seine Geschäftspartner betrogen habe. Dies stimmt nicht – allerdings war der C früher einmal wegen Betruges angeklagt, wegen mangelnden Beweisen aber freigesprochen worden. Der B tut dies, damit der C unglaubwürdig erscheint und dadurch seine Position im Prozess verbessern kann.
Eine Kollegin sollte zunächst den Sachverhalt zusammenfassen. Sodann sollte die Kollegin zu meiner rechten alle in Betracht kommenden Delikte aufzählen: §§ 187, 145, 164 I, 153 StGB. Schon während der Aufzählung bat die Prüferin die Kollegin, die offensichtlich nicht einschlägigen Delikte (z.B. § 153 StGB) unter Benennung des Merkmals, an dem diese scheitern, auszuschließen.
Sodann sagte die Prüferin, ich solle ihr einmal alles erzählen, was ich über dieses Delikt wisse?!
Ich weiß bis jetzt nicht, was sie genau hören wollte. Im Nachhinein hätte ich vermutlich mit dem Schutzzweck angefangen und mich nach und nach in die Prüfung eingearbeitet. Ich habe dann versucht den Normtext in eigenen Worten wiederzugeben, was aber nur mehr oder minder funktioniert hat. Ich begann (ohne sinnvoll zu gliedern…) laut darüber nachzudenken, ob eine zur
Entgegennahme von Anzeigen zuständige Behörde/Amtsträger gegeben ist. Ich verneinte dies zunächst, indem ich sagte, dass das Gericht selbst nicht dazu zählt. Sie fragte noch mal nach und meinte, dass ich mal darüber nachdenken soll, wer da vor Gericht alles sitzt. Mit ihrer Hilfe kam ich dann darauf, dass der Staatsanwalt vor Ort ist und aufgrund des Legalitätsprinzips einen Strafantrag stellen muss. Dann fragte die Prüferin unter welchen Umständen denn ein Richter einen Strafantrag stellen kann. Der Tatbestand wurde weiter geprüft. Insbesondere sollte im subjektiven Tatbestand darauf eingegangen werden, welche Form des Vorsatzes vorliegen muss (mindestens d.d. 2. Grades). Auch wurde gefragt, wie denn ein Freispruch wirkt und ob der Staatsanwalt überhaupt die Möglichkeit habe, den C noch einmal anzuklagen. Die Kollegin ging dann darauf ein, dass es wegen des ne bis in idem Grundsatzes nicht klappen würde, was die Prüferin aber nicht hören wollte. Richtig war vielmehr die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 359 und § 362 StPO, was aber letztlich doch abgelehnt wurde.
Insgesamt wurde der Tatbestand abgelehnt. Da die Prüferin den Sachverhalt zwischendrin noch einmal ergänzen musste, war ich irgendwann sehr verwirrt, sodass ich letztlich nicht mehr genau weiß, an welchem Merkmal es hier scheiterte (vermutlich Vorsatz).
Dann sollte § 145d StGB angeprüft werden, wobei die Prüferin direkt fragte, woran es hier offensichtlich scheitere. Hier sollte erörtert werden, dass im Hinblick auf das Merkmal „Vortäuschen“ mitschwingt, dass der Täter den Adressaten täuschen muss, also dass dieser den Angaben des Täters gerade geglaubt haben muss. Das war hier jedoch nicht der Fall, denn der Staatsanwalt wusste, dass B dies nur sagt, um sich selbst entlasten zu können.
Daraufhin sollte die Verleumdung, § 187 StGB geprüft werden. Die Kollegin definierte die Tatsache und es sollte festgestellt werden, dass es sich um eine unwahre Tatsache handeln müsse. Auch hier sollte sauber definiert werden. In diesem Rahmen war auf § 190 S. 2 StGB einzugehen. Der objektive Tatbestand lag insgesamt vor. Im subjektiven Tatbestand war es wichtig, zwischen dem Vorsatz bzgl. der Unwahrheit (d.d. 2. Grades) und dolus eventualis bzgl. Der sonstigen Tatbestandsmerkmale zu unterscheiden.
Das Ergebnis bzgl. des Tatbestandes sollte erneut zusammengefasst werden. Sodann war die Rechtfertigung gemäß § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) zu erörtern. Ab diesem Zeitpunkt sagte die Prüferin, dass wir uns beeilen sollten, denn wir hatten die gesamte Prüfungszeit von 30 Minuten bereits für den Fall gebraucht, sodass auch keine Zeit mehr für die Fragen blieb.
Das Gespräch war insgesamt machbar. Meine Mitprüflinge waren auf die Tatbestände vorbereitet.
Trotz allem lief das Gespräch total zäh, ganz im Gegensatz zu den beiden vorigen Gesprächen. Interessant zu wissen ist vielleicht, dass die beiden Mitprüfer streng auf ihr Blatt starrten, nur selten hochschauten und ab und zu den Mund verzogen. Wir haben es nachher so gewertet, dass die beiden die Situation selbst als sehr unglücklich empfunden haben, weil wir nicht zeigen konnten, was wir können. Für uns hat sich das Gespräch aber trotzdem- vermutlich auch, weil es das dritte war und der Eindruck zuvor durch die Bank durchaus positiv gewesen war- nicht negativ ausgewirkt. Der Vorsitzende sagte bei der Notenvergabe, dass er gemerkt habe, dass uns das Gespräch wohl auf dem falschen Fuß erwischt habe.