Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Juni 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 | 4 |
Vorpunkte | 45 | 33 | 72 | 25 |
Zivilrecht | 8 | 8 | 10 | 6 |
Strafrecht | 9 | 10 | 11 | 6 |
Öffentliches Recht | 11 | 8 | 13 | 6 |
Endpunkte | 1 | 1 | 1 | 1 |
Endnote | 8,2 | 6,5 | 11,7 | 4,5 |
Zur Sache:
Prüfungsstoff: protokollfest
Prüfungsthemen: Fremdbesitzerexzess
Paragraphen: §985 BGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer begann mit einem Fall: N, der nichtsnutzige Neffe des wohlhabenden O, befand sich in Geldnot. Um seine Miete zu sparen, bat er O, ihm unentgeltlich eines seiner vielen Häuser zur Verfügung zu stellen. O lehnte dies erbost ab. Die Haushälterin des O hatte jedoch Mitleid mit N, weil sie ihn schon immer gut leiden konnte. Ein paar Tage später besuchte sie N und brachte ihm die Schlüssel zu einem der Häuser des O. Dabei spielte die H dem N vor, O habe seine Meinung geändert und N könne dort kostenlos wohnen. N, der davon ausging, dass der sehr launische O es sich tatsächlich anders überlegt habe, nahm den Schlüssel dankbar entgegen und zog in das Haus ein. Einige Wochen später verkaufte O das Haus an K und übereignete es ihm auch wirksam. Entsetzt stellte dieser fest, dass N das Haus bewohnt. Daraufhin stellte der Prüfer die Frage, wie denn die Rechtslage sei. Wir wurden der Reihe nach Anspruchsgrundlagen gefragt. Der erste Prüfling, welcher offensichtlich nicht richtig zugehört hatte, sagte, K könne einen Anspruch auf Übereignung des Kaufgegenstandes haben, § 433 I 1. Danach wurde § 985 genannt und (beim vorletzten Prüfling) § 861. Hier wollte der Prüfer gleich mehr hören. Insbesondere lag ihm viel daran, ob für verbotene Eigenmacht eine subjektive Komponente notwendig ist. Trotz schneller und klarer Verneinung hielt er sich sehr lange an diesem Prüfungspunkt auf und stellte teilweise Fragen, die sich kaum voneinander unterschieden. Daraufhin wurde § 985 geprüft. Durch ersten Prüfling wurde hier wiederum ein Leihvertrag als Recht zum Besitz angesprochen (was natürlich aufgrund der expliziten Weigerung des O völlig abstrus ist). Hieran hatte der Prüfer besondere Freude, denn er lies den Prüfling „ins Messer laufen“ und noch einige Vorschriften des Leihvertrags erklären. Schließlich wandelte Der Prüfer den Fall weiter ab. Der N hatte nun zahlreiche Aufwendungen getätigt. Der Teppich wurde gereinigt, neue Büsche gepflanzt und die Hecken geschnitten. Insoweit prüften wir recht unproblematisch §§ 994, 996. Hier wollte der Prüfer nur die Definitionen wissen und gab sich mit einer relativ kurzen – da unproblematischen – Subsumtion zufrieden. Ferner fragte er, von wem der N das Geld denn nun verlangen könnte (§ 999) und, ob der Anspruch des O gegen N (welchen er nun erfunden hatte), einer Durchsetzung gegen K entgegenstehen könnte. Folgend beschäftigten wir uns mit den Regeln der Gesamtschuld. Er wollte darauf hinaus, dass K nicht mit der Forderung des O gegen N aufrechnen könne. Dies wurde aus seiner ursprünglichen Fragestellung allerdings nicht ersichtlich.
Schließlich wandelte er den Fall dahingehend ab, dass N nun etwas beschädigt habe im Haus des O. Er wollte auf die Sperrwirkung des EBV hinaus. Dabei übersah er allerdings selbst, dass wir zunächst hätten § 992 aufgrund der verbotenen Eigenmacht ansprechen müssen. Dies führte zu starker Verwirrung. Schließlich wollte er hören, ob uns diese Konstellation nicht komisch vorkäme und ob wir einen Namen für sie hätten (Fremdbesitzerexzess). Insgesamt wechselte der Prüfer glücklicherweise nicht sehr oft zwischen den Abwandlungen. Leider waren diese jedoch ziemlich unpräzise (Wie kommt H an den Schlüssel? etc.).