Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im August 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 4,5 |
Zivilrecht | 8 |
Strafrecht | 8 |
Öffentliches Recht | 8 |
Endpunkte | 6 |
Endnote | 5,7 |
Zur Sache:
Prüfungsstoff: protokollfest
Prüfungsthemen: Strafrechtsdogmatik, insbesondere Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen, Dogmatik eines Fahrlässigkeitsdelikts und einer Erfolgsqualifikation, Abgrenzung Eventualvorsatz und bewusste Fahrlässigekeit
Paragraphen: §11 StGB, §18 StGB, §212 StGB, §227 StGB, §222 StGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall, Fragestellung klar
Prüfungsgespräch:
D besucht den P. Anwesend ist auch der V. P und V haben Streit über eine noch offenstehende Rechnung. Der Streit spitzt sich zu. Der D, der dem V schon immer mal eins auswischen wollte, ermuntert den P, doch einmal die Schusswaffe des P zu nehmen, um dem V damit einen Schlag zu versetzen. Beide, der D und der P wissen, dass die Schusswaffe des P stets entsichert ist. Beide gehen allerdings davon aus, dass schon nichts Schlimmes passieren werde. Als P ausholt, um dem V einen Schlag zu versetzen, löst sich ein Schuss, welcher V tödlich trifft. Das hatten weder D noch P gewollt.
Wir begannen mit der grundlegenden Frage, wie man denn mit der Prüfung beginne. Der Prüfer wollte wissen, welche Aufbaumöglichkeiten es gibt, um ein Delikt zu prüfen. Einige Möglichkeiten sind: schwerstes Grunddelikt zuerst, Vorsatz- vor Fahrlässigkeitsdelikt, Erfolgs- vor Gefährdungsdelikt. Wir nannten die möglicherweise einschlägigen Normen.
Ihm ist es wichtig, dass man nicht gleich Normen ausschließt, weil sie in Konkurrenz mit schwereren Delikten steht. Auch, wenn es banal ist: Wenn jemand vorsätzlich getötet wird, muss auch § 223 BGB angesprochen werden.
Wir nannten die §§ 211, 212, 222, 223, 224, 227 StGB.
Nun gingen wir kleinschrittig, beginnend mit § 211, 212 BGB vor. Der erste Schwerpunkt stellte hier der subjektive Tatbestand dar. Er fragte explizit nach den Theorien zur Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit. Habt also die gängigen Vorstellung (Möglichkeitstheorie, Wahrscheinlichkeitstheorien, Risikotheorie) und Willenstheorien (Billigungstheorie, Gleichgültigkeitstheorie, Ernstnahmetheorie, Vermeidungstheorie) im Kopf. Diese muss man nur auswendig lernen, dabei kann man sehr gut glänzen. Angesichts der knappen Zeit, da wir nur drei Prüflinge waren, fragte er dann explizit nach § 223 StGB und nach den einzelnen Voraussetzungen. Darüber hinaus fragte er nach den Fallgruppen zur Einschränkung der objektiven Zurechnung. Wir diskutierten, ob der Schuss, der sich löste zum Tod des V führte, ein atypischer Kausalverlauf war. Im subjektiven Tatbestand dann dasselbe, ob es ein Irrtum über den Kausalverlauf war. Hier waren Argumentation und präzise Subsumtion gefragt. Das ist im Strafrecht häufig das schwierigste, denn man läuft sehr schnell Gefahr, banale Abläufe mit der Definition selbst zu subsumieren. Aber keine Sorge, wenn ihm etwas zu ungenau ist, dann stellt der Prüfer Rückfragen.
Nachdem wir den § 223 StGB bejahten, fragte er explizit nach § 227 StGB. Dabei stellte er uns fast nur noch dogmatische Fragen, z.B. woraus es sich denn ergebe, dass die Körperverletzung mit Todesfolge ein Delikt ist, welches aus Vorsatz und Fahrlässigkeit bestehe und ob das Delikt auch Vorsatz- Vorsatz-Kombinationen erfasse. Wir kamen dann auf die § 11 Abs. 2 StGB und auf § 18 StGB.
Insgesamt kamen gar nicht viele materielle Fragen, sondern eher ganz grundlegende dogmatische.
Bereitet euch also darauf vor, warum es bestimmte Normen im StGB gibt. Dabei könnt ihr ganz klar Schwerpunkte im AT setzen. Außer Tötungs- und Körperverletzungsdelikte prüft er nämlich, wie ihr auch aus den anderen Protokollen entnehmen könnt, kaum etwas. Schwerpunkte sind, wie immer bei ihm, Bestimmung des Eventualvorsatzes, Ausschlusskriterien der objektiven Zurechnung (schaut euch da nochmal die Kasuistik an) und Tötungs-/Körperverletzungsdelikte.