Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur zum 1. Staatsexamen – Sachsen-Anhalt vom Februar 2020

Bei den nachfolgenden Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom Februar 2020 im ersten Staatsexamen in Sachsen-Anhalt. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsfach:  Öffentliches Recht

Gedächnisprotokoll:

In verschiedenen wissenschaftlichen Studien wird den deutschen Schülern im internationalen Vergleich ein Defizit im Umgang mit (arbeitsrelevanten) Computerprogrammen bescheinigt. Um dem entgegenzuwirken schlägt das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Entwurf eines „Bundesschulgesetzes“ (BBSG) vor, das im Kern die Einführung eines verpflichtenden Digitalisierungs-Unterricht vorsieht. In Abstimmung mit den anderen Ministerien befürwortet die Bundesregierung den Entwurf und will sich für dessen Verabschiedung einsetzen.
Dazu erarbeitet die Bundesregierung eine (ausführliche) Gesetzesbegründung, in der es u.a. heißt: „Das Gesetz soll die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland sicherstellen. Künftig wird in allen Wirtschaftssektoren die Kenntnis von technischen/digitalen Prozessen immer wichtiger und somit für die Arbeitskräfte unerlässliche Berufsvoraussetzung. Auf Grund dieser gesamtgesellschaftlichen Bedeutung ist der Staat aus Sicht der Bundesregierung in der Pflicht, angehende Berufseinsteiger hierauf vorzubereiten. Hierzu soll der durch das BBSG vorgesehene verpflichtende Digitalisierungs-Unterricht dienen, den die Schülerinnen und Schüler der im schulpflichtigen Alter wahrnehmen sollen.“
Um etwaig bevorstehende Kompetenzstreitigkeiten über die Gesetzgebungskompetenz hstl. des BBSG im Ansatz vorzubeugen, beabsichtigt die Bundesregierung, im Zuge der Verabschiedung des BBSG diese durch eine Änderung des Art. 74 GG dem Bund zuzusprechen.
So wird das BBSG als Artikelgesetz verfasst:
„Gesetz zu Einführung des Bundesschulgesetzes
Artikel 1 – Änderung Artikel 74 Grundgesetz
Artikel 1 sieht eine Änderung des Artikel 74 Grundgesetz vor. Der bisherige Wortlaut wird wie folgt geändert:
Am Ende der Nummer 33. steht statt eines Punktes ein Semikolon. Weiterhin wird eine Nummer 34. eingeführt. Diese erhält den Wortlaut
‚das Schulwesen‘.
Absatz 2 bleibt unberührt.
Artikel 2 – Bundesschulgesetz
§ 1 An den Schulen wird das Pflichtschulfach Digitalisierung eingeführt. Dieses Schulfach soll neben den anderen Pflichtfächern unterrichtet werden.
§ 2 Die Schulpflicht wird auf den Nachmittag ausgeweitet.
§ 3 Die Landesregierungen und zuständigen Landesminister werden ermächtigt, die konkreten Ausführungen zu regeln
Artikel 3 – Inkrafttreten
Das Gesetz tritt nach seiner Verkündung am 01.01.2021 in Kraft.
Die Bundesregierung leitet den Entwurf des Gesetzes zu Einführung des Bundesschulgesetzes dem Bundesrat zu. Nachdem sie auch nach sieben Wochen keine Rückmeldung vom Bundesrat erhalten hat, bringt die Bundesregierung diesen als Gesetzesvorschlag in den Bundestag ein.
Dort stimmen nach ordnungsgemäßer Lesung 506 von 709 Mitgliedern für das Gesetz. Anschließend erhält der Entwurf auch im Bundesrat die notwendige Mehrheit.
Einige Tage nachdem das Gesetz formgemäß ausgefertigt wurde, reicht ein Abgeordneter des Bundestags – das für den Gesetzesentwurf gestimmt hat – sein Gesuch auf Niederlegung seines Mandats beim Bundestagspräsidenten ein. Dieser kommt dem Ersuchen nach. Ein Nachfolger für das ausscheidende Mitglied steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest.
Nach diesen Ereignissen wenden sich 177 Abgeordnete des Bundestags an das BVerfG. Sie erheben gegen das verabschiedete Gesetz folgende Einwände: Die Änderung sei bereits deshalb verfassungswidrig, weil die Grundgesetzänderung „versteckt“ im BBSG von der Bundesregierung „durchgemogelt“ wurde. Des Weiteren bedeute es eine Kompetenzüberschreitung des Bundes. So verletze das Gesetz das vielfach im Grundgesetz verankerte – und u.a. durch die Ewigkeitsklausel geschützte – Bundesstaatsprinzip. Die Kompetenz der Länder über das Schulwesen folge einer langen verfassungshistorischen Verfestigung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Auch sei das BBSG sei nicht zweckmäßig (§1), unangemessen (§2) und zu unbestimmt (§3).
Es ist davon auszugehen, dass sich in der aktuellen Legislaturperiode der BT aus 709 Mitgliedern zusammensetzt.
Aufgabe:
Erstellen sie ein Gutachten über die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags. Notfalls ist ein Hilfsgutachten anzufertigen.