Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – NRW vom März 2021

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im März 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3
Vorpunkte 7,5 7,0 9,5
Aktenvortrag 8 8 15
Prüfungsgespräch 11 8 15
Endnote 8,6 7,3 11,6
Endnote (1. Examen) 10,8

Prüfungsthemen: Sondergenehmigung Nutzung Parkverbotszone

Paragraphen: §74 VwGO

Prüfungsgespräch:  Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Corona-bedingt wurden wir nur in einer Dreiergruppe geprüft. Der Prüfer prüfte bei uns – wie wohl immer – im Öffentlichen Recht. Er war der Vorsitzende und meinte, er würde als letztes prüfen. Dies verwunderte uns, denn obwohl wir einen Vortrag im Öffentlichen Recht hatten, begannen wir mit Zivilrecht.
Es lagen drei Blätter mit verschiedenen internen Verwaltungsrichtlinien/ internen Verordnungen zu § 46 StVZO auf dem Tisch. Er sagte ausdrücklich, wir sollten sie uns vorher nicht anschauen. Wer die Nerven hat, sollte diese Aufforderung ignorieren, denn aus ihnen ergab sich die Lösung der ersten vier Fragen.
Er schilderte uns Eingangs folgenden Fall:
Professor B. ist der Chef der Chirurgie des Evangelischen Krankenhauses in Düsseldorf. Er wohnt in der Goldmannstraße 28 in Düsseldorf. Seit 25 Jahren hat er jeweils befristet für 1 Jahr eine Ausnahmegenehmigung zum Parken in einem eingeschränkten Halteverbot in der Goldmannstraße, wobei er uns einen Auszug aus der STVO beifügte, aus der sich das Schuld ergab (ein quer gehender Balken).
Im Oktober 2020 beantragt B. eine weitere Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Parken in einem eingeschränkten Halteverbot in der Goldmannstraße. Er begründet das damit, dass er im Notfall schnell sein Auto erreichen müsse, um in die Klinik zu fahren. Sein alter Parkausweis hatte bis zum 5. November 2020 seine Gültigkeit.
Am 6. Dezember 2020 wurde der Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung abgelehnt. Professor Goldschmidt kommt Anfang Januar 2021 zu Ihnen in die Kanzlei und fragt nach dem weiteren Vorgehen.
Zunächst wollte er von einem Mitprüfling wissen, was das weitere Vorgehen ist. Hier kamen Einstweiliger Rechtschutz und/oder die Erhebung einer Verpflichtungsklage in Betracht. Auf den Einstweiligen Rechtschutz (§ 123 VwGO) wollte er dann aber nicht hinaus.
Sodann fragte er nach der AGL für das Begehr. Der Mitprüfling antwortete § 18 StrWG, was ihm erkennbar nicht gefiel. Sodann kam der Verf. dran. Er sagte, das Begehr müsse sich aus der StVZO ergeben und fand § 46 StVZO. Richtige AGL ist § 46 I 1 Nr. 11 StVZO, was aber der Verf. nicht so schnell fand.
Anschließend wurden die Voraussetzungen der Verpflichtungsklage geprüft. Sie ist statthaft nach § 42 I 2 VwGO. Hierfür bedürfte es eines begünstigenden Verwaltungsaktes im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines konkreten Einzelfalls trifft und die mit unmittelbarer Rechtswirkung nach Außen gerichtet ist. Sodann wollte er noch die einzelnen Bestandteile definiert und subsumiert haben, namentlich: Maßnahme: Jedes Verhalten mit Erklärungsinhalt, hoheitlich: wenn sie in einem Subordinationsverhältnis ergeht, daher dem Schwerpunkt nach Öffentlich-rechtlich ist, Behörde: Jede Stelle, die Aufgaben der Verwaltung wahrnimmt.
Regelung: Wenn die Maßnahme final auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist.
Einzelfall: Maßnahme ist konkret individueller Natur.
Die Klagebefugnis ergibt sich aus § 42 II, die Möglichkeit eines Anspruchs gemäß § 46 I 1 Nr. 11 StVZO. Einen Schwerpunkt legte der Prüfer auf die Fristberechnung, die sich aus § 74 VwGO i.V.m. § 57 II VwGO ergibt. Gemäß § 57 II VwGO richtet sich diese nach § 222 ZPO, 187 ff. BGB. Ausgangspunkt als fristauslösendes Ereignis ist die Bekanntgabe i.S.d. § 41 I VwVfG.
Bekanntgabe ist die amtliche Eröffnung des Verwaltungsaktes i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG gegenüber dem Betroffenen – daher seiner Eigenschaft und dem Inhalt nach als VA – und mit Wissen und Wollen der erlassenden Behörde (§ 1 II VwVfG). Hier war auf die drei Tages-Fiktion gemäß §41 II VwVfG abzustellen. Die Fristberechnung bei Bekanntgabe am 06. Dezember bestimmt sich dann so, dass mit Ablauf des 09. Januar die Klagefrist abläuft.
Die restlichen Voraussetzungen wollte er nicht mehr hören, sondern dann die materielle Begründetheit geprüft wissen. Gemäß § 113 V 1 VwGO ist die Klage begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und die Sache spruchreif ist. Der Mitprüfling wollte einen Bescheidungsantrag gemäß § 113 V 2 VwGO stellen, was er als richtig empfand.
Der Prüfer fragte den Verf. dann, woraus sich denn ein Ermessen ergeben würde? –> § 40 VwVfG und wie das Gericht das überprüfen würde? –> Auf Ermessensfehler gemäß § 114 S. 1 VwGO. Er fragte dann was Ermessensfehler sind und wollte einen „Dreiklang“ hören. Dies sind:
Ermessensfehlgebrauch, Ermessensunterschreitung und Ermessensüberschreitung. Hier wollte er darauf hinaus, dass es sich um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt handelt und dass es ein Regel-Ausnahmeverhältnis gegen die Gewährung einer Sondernutzung (daher nur Ausnahme gebe). Regelermessen sei daher keine Genehmigung.
Sodann arbeiteten wir mit der Verordnung, wobei er den Fall fortsetzte. Er fragte zunächst, was die Verordnung sei –> Lediglich interne Regelungsanweisung, die keine unmittelbare Bindungswirkung nach Außen hat und lediglich im Rahmen des Ermessens ermessenslenkend wirkt (Art. 3 GG). Dann arbeiteten wir raus, dass kein Fall der VO vorliegt. Aber es könnte ja ein unbenannter Fall vorliegen.
Fortsetzung des Falles:
Der Professor habe zwei Möglichkeiten, um zu parken. Er könne einen Anwohnerparkausweis in einer Nachbarstraße nutzen, oder er könne sich einen Stellplatz in einer Tiefgarage wenige hundert Meter entfernt mieten, die er sehr schnell erreiche. Dann sagte Verf., dass bereits dieser Tiefgaragenplatz dazu führe, dass der Professor keinen Anspruch mehr habe, weil sich aus der Systematik ergebe, dass zunächst die Inanspruchnahme von Parkplätzen mit Verursachung weiterer Kosten zu nutzen ist (Nr. 5 der VO). Darüber hinaus sagte Verf., dass ansonsten ein Anspruch besteht, weil es hier ein besonderes privates wie öffentlicher Belang gibt, dass ein Chefarzt schnell an seinen Arbeitsplatz kommt und ein Fall wie bei einem Notarzt vorliegt. Das hielt der Prüfer für vertretbar, wollte er aber eher darauf hinaus, dass kein Anspruch besteht, weil ein Chefarzt wohl nicht wirklich Notfälle versorgt (wer dann?).
Die Prüfung war zu Ende