Bei den nachfolgenden Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom Februar 2021 im ersten Staatsexamen in Sachsen-Anhalt. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsfach: Öffentliches Recht
Gedächnisprotokoll:
F fährt wie jedes Wochenende mit der S-Bahn nach Leipzig zu seiner Freundin. Um zum Bahnhof in Halle zu gelangen, fährt er wie immer mit dem Fahrrad, welches er dann am Hauptbahnhof auf dem Gehweg hinter einer Sitzbank anschließt. Als er nach drei Tagen nach Halle zurückkehrt, stellt F fest, dass sein Fahrrad verschwunden war. Da F zunächst davon ausging, dass sein Fahrrad gestohlen wurde, wendet er sich an die Polizei, um den vermeintlichen Diebstahl zu melden.
Die zwei herbeigerufenen Polizeibeamten weisen F zunächst daraufhin, dass der Bereich, in dem F das Fahrrad abgestellt hat, eine Halteverbotszone darstelle (Schild Nr. 290.1 Anl. 2 StVO + Zusatzschild Fahrradeverkehr (auch Fahrräder)). Die Polizeibeamten erkundigen sich über den Verbleib des Fahrrades und erklärten F, dass sein Fahrrad am vergangenen Samstag von einer Beamtin der Ordnungsbehörde der Stadt H in die nahegelegene Fahrradgarage verbracht wurde, nachdem sie es bereits am Freitag am Bahnhof gesehen hatte. Die Garage wurde errichtet, um den Bahnhofsplatz von Fahrrädern zu befreien. Die Stadt möchte damit einen aufgeräumten Eindruck bei eintreffenden Reisenden vermitteln. F hat das genannte Verbotszonenschild zwar wahrgenommen, dachte aber, dass sich dieses nicht auf den Gehweg und jedenfalls nicht auf Fahrräder bezieht. Das Fahrradparkhaus ist vollständig im Betrieb der Stadt H. Die Parkgebühr für eine Wochenendekart beträgt 4,50 EUR.
Daraufhin geht F in das Fahrradparkhaus und holt sein Fahrrad ab. Kurze Zeit später bekommt F einen Kostenbescheid der Stadt H, mit dem er aufgefordert wird, 25 EUR zu zahlen. Die Kosten ergeben sich einerseits aus Verwaltungsgebühren, andererseits aus den Nutzungsgebühren für das Parkhaus.
Da in der Rechtsbehelfsbelehrung des Kostenbescheides steht, dass ein Widerspruch gegen den Kostenbescheid keine aufschiebende Wirkung hat, zahlt F die 25 EUR an die Stadt. Gleichzeitig legt er bei dieser aber auch Widerspruch gegen den Kostenbescheid ein und verlangt Rückzahlung des von ihm gezahlten Geldes.
Zur Begründung führt er aus, dass das Schild nicht für den Gehweg, jedenfalls nicht für Fahrräder gelte. In der StVO (§§ 12, 25 StVO) sei gerade geregelt, dass sich Halteverbote nur auf Autofahrer bzw. Fahrbahnen beziehe. Die Stadt könne diese Regelungen der StVO nicht einfach umgehen oder erweitern. Zudem baue das Schild 290.1 Anl. 2 StVO auf dem Schild 286 Anl. 2 StVO auf. Dieses gelte aber nur für das Parken auf der Fahrbahn. Weiterhin habe er auch niemanden gestört. Er habe nur 40 cm der Bankfläche beansprucht. Hinter ihm befand sich – was auch zutrifft – ein 8 Meter breiter Gehweg. Man konnte also an dem Fahrrad problemlos vorbei gehen und sich auch weiterhin auf die Bank setzen.
Die Stadt H hält den Kostenbescheid hingegen für rechtmäßig. Zunächst gelte das Verbotsschild nicht nur für die Fahrbahn, sondern auch für den Gehweg. Das abgestellte Fahrrad sei nicht mit dem Konzept der Stadt vereinbar und stelle somit eine optische Belästigung dar. Auch aus dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot des StVO ergebe sich, dass er verpflichtet sei, das Rad wegzufahren. Es sei weiterhin erforderlich gewesen, das Rad zu entfernen, um eine Nachahmung zu verhindern. Es sei zu befürchten, dass weitere Räder abgestellt werden und spätestens dann eine Behinderung für Passanten, Rollstuhlfahrer und Personen mit Kinderwagen darstelle. Schließlich habe sich das Anliegen des F durch Zahlung des Kostenbescheides ohnehin erledigt.
Aufgabe: Hat der Widerspruch des F Aussicht auf Erfolg?
Bearbeitervermerk: Es ist auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen einzugehen. Das Radverkehrsschild kann ein Zusatzschild nach § 41 Abs. 2 StVO sein.