Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Baden-Württemberg im Juli 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 8,83 |
Aktenvortrag | 16 |
Zivilrecht | 12 |
Strafrecht | 12 |
Öffentliches Recht | 11 |
Endpunkte | 11,66 |
Endnote | 9,67 |
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer schilderte folgenden Fall:
Das Modeunternehmen M-GmbH & Co. KG möchte ein Bauwerk in der Großstadt K errichten. Dazu schließt sie mit dem Bauunternehmen U – GmbH einen Vertrag zur Errichtung eines Bauwerks auf einem der M gehörenden Grundstück in der Stadt K. M und U einigen sich darauf das Gebäude zu einem Pauschalpreis von 60 Mio. Euro zu errichten.
Allerdings ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Gebäude noch nicht geplant. M und U einigen sich demnach darauf, dass das Gebäude für 60 Mio. Euro errichtet werden soll, welches noch von dem Architekten R geplant wird. Zu Vertragsschluss steht nur fest, dass das Gebäude ein Kaufhaus mit hoher Qualität werden soll.
Nachdem der Architekt R die Planung abgeschlossen hatte, prüfte das Bauunternehmen U nach. Aus der Kalkulation der U ergibt sich, dass diese für den Bau des Gebäudes kosten in Höhe von 85 Mio. Euro entstehen würden.
Die Frage war nun, ob die U an den Vertrag gebunden ist oder nicht, und ob die U mehr als die vereinbarten 60 Mio. Euro verlangen könne.
Zunächst prüften wir, ob die Voraussetzungen für einen wirksamen Vertragsschluss vorlagen. Wir qualifizierten den Vertrag als Bauvertrag gem. § 650a BGB. Der Prüfer fragte nach, was die essentalia negotii beim Bauvertrag sind. (Vertragspartner, Preis, Baugegenstand) Fraglich war, ob die Vereinbarung, dass Architekt R das Bauwerk erst noch planen muss, den Anforderungen genügte. Im Ergebnis ist dies zu bejahen.
Der Prüfer fragte, ob wir eine Norm im BGB kennen, welche einer Seite ein Leistungsbestimmungsrecht gewährt. Darauf war auf § 315 BGB einzugehen. Dann kam die Frage auf, wie mit der Tatsache umzugehen ist, dass hier der Leistungsgegenstand von einem Dritten bestimmt werden sollte. Hier war § 317 BGB einschlägig. Die Frage nach etwaigen Rechtsbehelfen des Vertragspartners (hier U) wurde durch §§ 318, 319 BGB beantwortet.
Der Prüfer fragte, was passiert, wenn die M ihrer Mitwirkung nicht nachkommt. Daraufhin war auf §§ 642, 643 BGB einzugehen. Der Prüfer fragte nach dem Unterschied zwischen Obliegenheiten und Pflichten und ob § 642 BGB eine Obliegenheit oder Pflicht ist.
Danach gingen wir ins Prozessrecht. Der Prüfer fragte nach dem zuständigen Gericht bei einer Klage der U. Bei der sachlichen Zuständigkeit wollte er nur schnell die Normen wissen. Insbesondere ging es bei der örtlichen Zuständigkeit um die Frage, ob beim Werk/Bauvertrag ein einheitlicher (für Geldleistung und für Werkleistung) Erfüllungsort im Rahmen des § 29 ZPO gegeben ist oder nicht. Wir bejahten dies parallel zur Rechtsprechung des BGH.
Der Prüfer fragte dann nach den unterschiedlichen Arten von Klagen und worin sie sich unterscheiden. (Leistungsklagen, Feststellungsklagen, und Gestaltungsklagen) Er fragte, welche Art der Klage nach § 319 ZPO vorliegt. (Gestaltungsklage)
Es wurde gefragt, nach den Gesellschaftsformen der M und der U und ob diese Kaufleute sind. Da beides Handelsgesellschaften sind war dies zu bejahen (6 HGB). Bei der M – GmbH & Co. KG wollte der Prüfer wissen, welche Gesellschaftsform grundsätzlich vorliegt (KG). Bei der GmbH wollte er wissen, ob auf diese § 6 I HGB oder § 6 II HGB Anwendung finden. Im Ergebnis sind es beide.