Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur zum 1. Staatsexamen – Baden-Württemberg vom April 2021

Bei den nachfolgenden Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom April 2021 im ersten Staatsexamen in Baden-Württemberg. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsfach:  Strafrecht

Gedächnisprotokoll:

M lässt einen sommerlichen Arbeitstag mit ein paar Freunden ausklingen. Dabei konsumieren alle Bier und selbst gemixte Cocktails, M hält sich nicht zurück und trinkt kräftig. Die Bier öffnet er dabei mit der 7 cm langen Klinge seines Taschenmessers, welches er immer in der Hosentasche hat.
Auf dem Heimweg kommt M an einer Tankstelle vorbei. Er sieht den LKW des G und bemerkt, dass bei diesem der Zündschlüssel noch steckt. G selbst befindet sich gerade an der Kasse um den getankten Sprit zu zahlen. Spontan beschließt M, dass es viel angenehmer wäre, die 5 Kilometer bis zu ihm nach Hause mit dem LKW zu fahren anstatt zu laufen.
Er setzt sich kurzerhand in den unverschlossenen LKW und fährt los. Dabei plante er direkt, den LKW nach der Heimfahrt über Nacht bei ihm zu Hause zu deponieren und diesen am nächsten Tag verschrotten zu lassen, um ihn als potenzielles Beweismittel zu vernichten. M weiß, dass er aufgrund seines betrunkenen Zustands nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Tatsächlich hat M eine Blutalkoholkonzentration von 2,82 Promille. Auch war ihm bewusst, die ganze Zeit das Taschenmesser in der Tasche gehabt zu haben. Dieses gegen Menschen einzusetzen war ihm jedoch nicht in den Sinn gekommen.
Nach etwa 60 bis 70 Metern hält M an, da er denkt, sein Handy an der Tankstelle vergessen zu haben. Plötzlich kommt G, der den ganzen Vorgang um seinen LKW von der Tankstellenkasse aus beobachtet hat und M sofort nacheilte. G stellt sich vor den LKW und drückt seine Hände gegen die Motorhaube, um M an der Weiterfahrt zu hindern. M lässt zunächst durch Drücken des Gaspedals im Leerlauf den Motor aufheulen, in der Hoffnung, das würde G dazu bewegen, aus dem Weg zu gehen. G bewegt sich jedoch nicht. Daraufhin fährt M plötzlich nach vorne an. Dabei war es zwar nicht sein Ziel, G anzufahren, aber er hielt es für möglich, dass dieser von der Frontseite des LKW erfasst werden könnte. Dass G hierbei leichte Verletzungen erleiden könnte, nimmt M billigend in Kauf.
Tatsächlich wird G vom LKW erfasst und zur Seite gestoßen, wobei er sich einige Prellungen und Schürfwunden zuzog. M fährt daraufhin ohne anzuhalten nach Hause.
Frage 1: Wie hat M sich strafbar gemacht?
Frage 2: Müsste M im Zuge eines Strafverfahrens mit der Einziehung seiner Fahrerlaubnis oder einem Fahrverbot rechnen?
Als M mit dem LKW in seine Garage fährt, bemerkt sein Nachbar N, dass es sich nicht um den beruflich genutzten LKW des M handelt. N meint, dass da etwas nicht stimmen könnte und er kann M sowieso nicht leiden. Deshalb meldet er den Vorfall telefonisch der Polizei. Inzwischen hatte auch G den Vorfall an der Tankstelle bei der Polizei gemeldet. Der zuständige Polizeibeamte P vermutet einen Zusammenhang zwischen beiden Vorfällen und will das Haus des M durchsuchen lassen. Da es mittlerweile schon 20 Uhr ist, geht er davon aus, dass Staatsanwalt und Richter sowieso schon Feierabend haben und ordnet die Durchsuchung selbst an. Tatsächlich gibt es aber einen nächtlichen telefonischen Notdienst, über den sowohl Staatsanwälte als auch Richter erreichbar gewesen wären.
Zwischen 20.15 und 20.35 Uhr wird die Durchsuchung bei M durchgeführt. Dabei finden die Polizeibeamten den LKW des G in der Garage des M und stellen diesen sicher. M wird zum gerichtlichen Prozess geladen und erscheint mit Rechtsanwalt.
Frage 3: Kann der LKW im Prozess als Beweismittel verwertet werden?
1. Zu prüfen ist nur die Strafbarkeit nach StGB.
Auf eine mögliche Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeiten nach den Gesetzen und Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist nicht einzugehen.
2. Es ist davon auszugehen, dass P sachlich und örtlich zuständig ist. Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass P eine Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft im Sinne von § 152 GVG ist.
3. Etwaige erforderliche Strafanträge sind gestellt.
4. Auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen ist, notfalls hilfsgutachterlich, einzugehen.