Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Saarland vom August 2021

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung im Saarland im August 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Note staatl. Teil 1. Examen 7
Gesamtnote 1. Examen 7
Gesamtnote 2. Examen 7,66

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Beleidigung, Berufung, Revision

Paragraphen: §312 StPO, §333 StPO, §90a StPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort Diskussion, lässt Meldungen zu, Intensivbefragung Einzelner, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Die Prüferin hat zu Beginn ihre Prüfung einen Fall ausgeteilt und uns diesen laut vorgelesen. Der Fall lautet wie folgt: R hat eine Deutschlandflagge mit abgeschnittenem Goldrand vor seine Bürotür gefunden, er fotografierte diese und hat diese auf Facebook postet mit folgendem Text: „Cut the Gold – die einzigen Farben sind schwarz rot“. Er wurde zu einer Geldstrafe wegen Verunglimpfung von Flaggen verurteilt. Er bittet einen Tag nach der Verurteilung seinen Kollegen um Hilfe. Dieser weiß, dass R vor drei Jahren zur Teilnahme an einer Demo aufgerufen hat unter dem Motto Cut the Gold, eine Bewegung, die sich für Enteignung von reichen und sozialen Neuverteilung einsetzt. Was würden Sie nun tun? Die Prüferin hat in diesem Zusammenhang zunächst einige Fragen im Hinblick auf Berufung Revision und unbenanntes Rechtsmittel mit uns besprochen. Sie wollte, dass wir die Unterschiede insbesondere die vor und Nachteile der Berufung und Revision im Hinblick auf den konkreten Fall herausarbeiten. Sie fragte was ein unbenanntes Rechtsmittel sei und wie man dieses einlegen würde. Hierbei fragte sie nach der konkreten Vorgehensweise eines Anwalts. Hier wurde die Reihenfolge der Bestellung, Vollmachtanzeige und Beendigung des Rechtsmittels mit genauem Wortlaut des Schriftsatzes besprochen. Anschließend fragte sie nach dem weiteren Ablauf des Verfahrens beim Gericht. Sie wollte hier hören, dass der Schriftsatz zunächst bei der Geschäftsstelle eingeht und der Richter anschließend die Urteilsgründe verfassen würde. Da Rechtsmittel eingelegt wurde, hatte der Richter nicht die Möglichkeit die Urteilsgründe abzukürzen. Die Prüferin fragte auch danach wie lange der Richter Zeit habe für die Urteilsbegründung. In allen Bereichen versuchte sie auch nach den dazugehörigen Paragrafen zu fragen. Anschließend prüften wir Paragraf 90a StGB. Wir versuchten uns hier an der Auslegung des Wortes Verunglimpfung. Sie gab uns den Hinweis, wir sollen an die Voraussetzungen der Paragraf 185ff denken. Hierzu fragte sie wann Paragraf 185 StGB überhaupt erfüllt ist und wollte hier insbesondere auf die Abwägung zwischen einer Ehrverletzung und der Meinungsfreiheit hinaus, welche nur vorliegt wenn es sich um eine Schmähkritik handelt. Sie ließ uns dann länger diskutieren was Verunglimpfung sein könnte. Anschließend diskutierten wir am konkreten Fall, ob es sich bei dem Facebook-Post denn nun um eine Art Schmähkritik handele und damit Verunglimpfung vorliege.
Hierbei haben wir insbesondere den unterschied betrachtet, zwischen dem Wissensstand des Gerichts und des Rechtsanwalts, welcher von dem Demonstrationsaufruf des R wusste. Hintergrund der Bewegung weist auf Reichtum Abschneiden hin, und beinhaltet damit keine abwertende Kritik gegenüber Deutschland und der Flagge der BRD, sondern ist lediglich Ausdruck eines sozialen und politischen Standpunktes. Wir haben festgestellt, dass unter Berücksichtigung aller Umstände die Meinungsfreiheit im vorliegenden Fall überwiegen kann. Deshalb tendierten wir hier anschließend zu dem Rechtsmittel Berufung, um diesen Hintergrund als Tatsache in eine Gerichtsverhandlung einzubringen. Während der Prüfung hat die Prüferin einige kleinere Zwischenfragen zur StPO gestellt. Es kamen insbesondere Fragen zur Zustellung an den Rechtsanwalt auf. Während der gesamten Prüfung ließ die Prüferin uns sehr viel frei diskutieren und gab einem auch die Möglichkeit im Rahmen einer Diskussion seine Meinung nochmals zu ändern. Man sollte sich bei ihr mit der aktuellen Rechtsprechung auseinandergesetzt haben. Auch wenn es sich hier um eine Prüfung eines eher ungewöhnlichen Paragrafen in einer Prüfung handelt, so hat sie uns doch derartige Hilfestellungen gegeben, dass der Fall lösbar war. Bei Fragen nach konkreten Stellen im Gesetzestext, gab sie uns jederzeit die Möglichkeit noch einmal nachzuschauen.