Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen vom September 2021

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im September 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Note staatl. Teil 1. Examen 7,38
Gesamtnote 1. Examen 8,06
Gesamtnote 2. Examen 8,16 7,16 8,71 4,71

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Antragsdelikte, Verjährung, Abschlussverfügung, Entziehung der Fahrerlaubnis, Privatklageverfahren

Paragraphen: §242 StGB, §223 StGB, §77b StGB, §78 StGB, §170 StPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, hart am Fall, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer prüfte den uns bereits aus den Protokollen bekannten „Juwelier-Ketten-Fall“. Im Rahmen der Prüfung war es wichtig, sich immer Stichpunkte zu den bereits geprüften Delikten zu machen und stets aufmerksam den Antworten der Mitprüflinge zu folgen und die gefundenen Ergebnisse zu notieren. Denn unser Sachverhalt hatte insgesamt vier Tatkomplexe, die wir aber nicht geschlossen nacheinander prüften, sondern insofern durcheinander immer bezogen auf die konkret gestellte Frage. Meine Aufgabe war es zunächst, die in Betracht kommenden Delikte aufzuzählen, die wir dann alle nach und nach subsumieren mussten. Dann beschäftigten wir uns mit den Antragsdelikten und prüften, ob die Anträge rechtzeitig gestellt wurden, dann war die Verjährung zu prüfen und anschließend eine Abschlussverfügung vorzuschlagen. Um keine Verwirrung zu stiften versuche ich im Folgenden, die Tatkomplexe und die behandelten Punkte der Reihe nach geschlossen darzustellen. Die M stellt am 15.09.2021 bei der Polizei Strafantrag wegen der nachfolgenden Vorfälle: 1. Tatkomplex: Im Mai 2016 bat die M ihren Ehemann, den A, ihre Perlenkette bei einem Juwelier abzuholen, wo sie diese zur Reparatur abgegeben hatte. Der A holte sie dort ab, versetzt sie jedoch anschließend. Es war § 242 StGB zu prüfen, aber mangels Gewahrsam zu verneinen. Auch sollten §§ 246, 247 StGB geprüft und bejaht werden, wobei es bei § 247 StGB auf den fehlenden Strafantrag ankam, der nicht in der Frist des § 77b StGB gestellt worden war. Der Prüfer fragte, ob § 246 StGB noch verfolgbar sei. Das verneinten wir wegen der Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB (drei Jahre). Sodann fragte er, ob sich daran etwas ändern würde, wenn es sich um eine veruntreuende Unterschlagung nach § 246 Abs. 2 StGB handeln würde. Dies ist der Fall, wobei kurz darzustellen war, dass § 78 Abs. 4 StGB hier keine Anwendung findet, da es sich um eine Qualifikation und nicht um einen besonders schweren Fall handelt, und dass die Tat dann gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB innerhalb von fünf Jahren verjähren würde. Auch unter Zugrundelegung dieser Verjährungsfrist war die Tat hier bereits verjährt. Dann fragte der Prüfer nach einer Abschlussverfügung. Insofern war zu sehen, dass das Verfahren diesbezüglich nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen ist und dass an den M eine Einstellungsnachricht und an die A ein Einstellungsbescheid zu erfolgen hat. 2. Tatkomplex: Im Juni 2016 versetzte der A der M mehrere Ohrfeigen. Es war § 223 Abs. 1 StGB zu prüfen und sauber und knapp zu subsumieren. Dann war zu erkennen, dass auch hier nicht rechtzeitig Strafantrag gestellt worden war. Der Prüfer wollte dann auf das öffentliche Interesse nach § 230 StGB hinaus, das dann zu definieren und zu subsumieren war. Vorliegend war ein öffentliches Interesse jedoch zu verneinen, da der Rechtsfrieden nicht über den Lebenskreis der M hinaus verletzt war. Der Prüfer fragte dann nach der zu fertigenden Abschlussverfügung: auch diese Tat war nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. 3. Tatkomplex: An Weihnachten 2020 beleidigte A die M als geizige Schlampe. Es war § 185 StGB zu prüfen und zu bejahen und kurz zu §§ 186 ff. StGB abzugrenzen (Stichwort: Drei-Personen-Verhältnis). Strafantrag wurde durch M rechtzeitig gestellt. Im Rahmen der Abschlussverfügung war zu erkennen, dass es sich bei der Beleidigung um ein Privatklagedelikt nach § 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO handelt und dass die Anklage nach § 376 StPO nur bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses eröffnet wird. Dieses war aber auch hier zu verneinen. Wir taten uns etwas schwer damit, die richtige Norm für die Einstellung zu finden. Da es sich um ein Prozesshindernis handelt, erfolgt auch hier eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO. 4. Tatkomplex: Im August 2021 warf A die stark betrunkene M bei 35 Grad auf einer einsamen Straße aus dem Auto mit den Worten „Dann krepier doch“. A bekam ein schlechtes Gewissen und rief dann anonym die Polizei, die die M ohnmächtig und mit einem starken lebensgefährlichen Hitzschlag auffand, sodass M überlebte. Es war kurz §§ 211, 22, 23 StGB anzuprüfen und mangels niedriger Beweggründe zu verneinen. Vom versuchten Totschlag ist A zurückgetreten gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB, es lag ein beendeter Versuch vor, aber A verhinderte aktiv die Vollendung. Dann war § 221 StGB zu prüfen und zu bejahen sowie §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, wobei es dem Prüfer im Rahmen der Konkurrenzen darauf ankam, dass beide Delikte aus Klarstellungsgründen zueinander in Tateinheit stehen, da die Aussetzung ein Gefährdungsdelikt und die gefährliche Körperverletzung ein Erfolgsdelikt ist. Diesbezüglich fragte der Prüfer nach einer möglichen Entziehung der Fahrerlaubnis und nach den Voraussetzungen des § 69 StGB. Es war zu erkennen, dass kein Regelbeispiel vorliegt, aber dass eine Tat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr vorlag. Es musste darauf abgestellt werden, dass es hierbei auf die charakterliche Ungeeignetheit ankommt. Er wollte dabei auf ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2005 hinaus, wonach „die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen“. Wir kannten diese Entscheidung nicht, konnten die wesentlichen Punkte aber grob umreißen, was dem Prüfer insoweit genügte. Alles in Allem eine sehr machbare Prüfung! Ich wünsche Dir viel Erfolg!!!