Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Baden-Württemberg vom April 2022

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

8,73

Wahlfach

11

Gesamtnote 1. Examen

9,71

Gesamtnote 2. Examen

7,5

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Stellvertretung, falsus procurator, Streitverkündung

Paragraphen: §164 BGB

Prüfungsgespräch: hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer uns folgenden Fall: Man solle sich vorstellen, man wäre Anwalt. In die Kanzlei kommt der Geschäftsführer einer GmbH. Die GmbH hat an eine andere GmbH Baumaterialien in Höhe von 7.000 Euro verkauft. Die Bestellung und Abholung der Materialien erfolgten durch Herrn C. C war bei der anderen GmbH als Buchhalter, aber nicht als Einkäufer beschäftigt. Art und Menge der Baumaterialien werden von der anderen GmbH mit Nichtwissen bestritten. Es ist bereits Klage erhoben worden. Der Prüfer wollte wissen, welche Fragen man seinem Mandanten nun stellt. Da schon Klage erhoben worden ist, wollte er nicht auf die prozessualen Möglichkeiten, wie beispielsweise mögliche Zeugen, außergerichtliche Aufforderung zur Vermeidung der Kostenlast nach § 93 ZPO etc. hinaus. Vielmehr sollte man fragen, ob C Inhaber einer Prokura ist und ob er das erste Mal für die GmbH tätig geworden ist oder ein vergleichbares Verhalten schon öfters aufgetreten ist. Dann sollten wir in die materiell rechtliche Prüfung einsteigen und prüfen, ob ein Anspruch unserer Mandantschaft auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB besteht. Dabei sollten wir insbesondere die Voraussetzungen des § 164 I 1 BGB durchprüfen. Der Prüfer wollte den Unterschied zwischen der Anscheins- und Duldungsvollmacht wissen. Wir sollten prüfen, ob in unserem Fall möglicherweise eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht gegeben ist. Nachdem wir die Voraussetzungen des § 164 I BGB mangels Vollmacht verneint haben, sollten wir einen Anspruch gegen C als falsus procturator nach § 179 I BGB prüfen. Der Prüfer wollte wissen, wie wir prozessual vorgehen würden. In Betracht kommt eine Klage gegen die GmbH und eine Streitverkündung gegenüber C nach §§ 72 ff. ZPO. Der Prüfer wollte die formellen und materiellen Voraussetzungen der Streitverkündung genannt bekommen. Er wollte wissen, was die Folge für den Prozess ist, wenn die materiellen Voraussetzungen nicht vorliegen. Dabei wollte er darauf hinaus, dass eine wirksame Streitverkündung nur Voraussetzung für die Interventionswirkung im Folgeprozess ist, die Wirksamkeit auf unseren Prozess aber keine Auswirkungen hat. Gefragt wurde auch, was es mit der Interventionswirkung genau auf sich hat. Danach gingen wir auf die Beweislast und die Beweismittel ein. Der Prüfer fragte, wer das Vorliegen der Vollmacht in unserem Fall beweisen muss. Er wollte wissen, welche Beweismittel hier in Betracht kommen und ob es tatsächlich nur die Möglichkeit einer Parteivernehmung gebe und hier kein Zeuge vorhanden sei. In Betracht kommt hier die Vernehmung des C als Zeuge. Der Prüfer wollte wissen, ob der C hier verpflichtet sei, auszusagen. Wir prüften die Zeugnisverweigerungsrechte nach §§ 383, 384 ZPO. Hier könnte § 384 Nr. 1 ZPO einschlägig sein. In Betracht kommt aber eine Ausnahme nach § 385 Nr.4 ZPO. Der Prüfer stellte die Frage, welche Möglichkeiten die Strafrechtsbehörden haben, die es im Zivilprozess nicht gibt. Danach fragte er, welche polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen hier in Betracht kommen. Hier könnte man an eine Durchsuchung der Geschäftsräume der GmbH denken. Dann wollte er wissen, wo die Aussetzung des Prozesses bei Verdacht einer Straftat steht (§ 149 ZPO). Am Schluss sollten wird diskutieren, ob es im vorliegenden Fall sinnvoll wäre, auszusetzen. Dabei wollte er insbesondere hören, dass die Zivilgerichte nicht an das Urteil der Strafgerichte gebunden sind, sondern eine eigene Beweiswürdigung vornehmen.
Viel Erfolg bei der Prüfung!

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Baden-Württemberg im April 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.