Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Note staatl. Teil 1. Examen |
6,16 |
Gesamtnote 1. Examen |
7,16 |
Zur Sache:
Prüfungsthemen: Rechtsgeschichte, Mietrecht
Paragraphen: §566 BGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner
Prüfungsgespräch:
Die Prüfung begann mit Rechtsgeschichte. Dieser Teil dauerte ca. 40min. Jedoch zogen sich die rechtsgeschichtlichen Fragen auch danach noch durch die Prüfung, sodass eigentlich fast kein Zivilrecht geprüft wurde. Zunächst wollte die Prüferin wissen, welche zwei Strömungen es im 19 Jhd. gab, insbesondere wollte sie hier auf das Römische und gemeine Recht hinaus. Die Frage wurde aber wie folgt gestellt: „Was war das Argument der Rechtsgeschichte im 19Jhd?“ Diese Frage konnte durch den Prüfling nach einigem hin und her beantwortet werden. Die Fragestellung war derart unklar, dass zunächst nicht verstanden wurde, was genau die Prüferin hören will. Danach wollte sie von demselben Prüfling wissen, wie die Juristenausbildung damals im 19 Jhd. aussah. Diese Frage konnte der Prüfling einigermaßen mit dem Hinweis auf Paris und die römische Rechtsschule (Savigny) beantworten. Dann wollte die Prüferin wissen, welches Recht z.B. im Mittelalter oder dann auch im 19 Jhd. gelehrt wurde. Hier konnte der Prüfling die Frage nicht mehr zu der Zufriedenheit von die Prüferin, die zu diesem Zeitpunkt bereits etwas genervt war, weil die Antworten nicht genau ihre Frage trafen, beantworten. Der Prüfling argumentierte, dass vermutlich in den verschiedenen deutschen Gebieten im 19 Jhd., das damals jeweils dort gültige Recht gelehrt wurde. Die Prüferin frage den nächsten Prüfling, was dieser darüber denkt. Der Prüfling argumentierte, dass vermutlich eher Naturrecht gelehrt wurde und so trotz Rechtszersplitterung somit die Einheit in der Hinsicht gewahrt, werden konnte, sodass z.B. auch ein Uniwechsel vollzogen werden kann. Dann wollte die Prüferin wissen, was das gemeine Recht ist (kanonisches und römisches Recht). Dann wollte sie von dem Prüfling wissen, welche berühmten Juristen jeweils die verschiedenen „Rechte“ vertreten haben. Hier wollte der Prüfling mit Savigny und Thibaut einsteigen, aber dies wurde abgewürgt und die Frage an den Dritten Prüfling weitergegeben. Dieser Prüfling versuchte sich an einen berühmten Juristen zu erinnern, jedoch konnte sie keine Antwort liefern. Sie entschuldigte sich und wies die Prüferin darauf hin, dass sie den Prüferwechsel nicht bekommen hat und sich leider nicht auf Rechtsgeschichte vorbereitet hatte. Daraufhin antwortete die Prüferin etwas empört, dass Rechtsgeschichte zu den absoluten Grundlagen zählt und wir das ja sogar schon im ersten Semester alle haben. Dann verdrehte sie die Augen und gäbe die Frage an mich weiter, ich war den letzten Prüfling von uns 4. Ich erwähnte Gierke und Meininger. Sie wollte wissen, wer Gierke war und ein paar Ausführungen dazu hören. (Stichwörter: Tropfen sozialistischen Öls im BGB, Kritik an der BGB-Kommission usw). Ich erwähnte nicht die Gesamthandschaft , die sie scheinbar im Zusammenhang mit Gierke hören wollte, denn sie wies darauf hin, dass dies insbesondere im Zusammenhang mit Gierke stand. Hier waren ungefähr 40min der Prüfung vorbei. Dann wechselte sie wieder zum Dritten Prüfling und wollte wissen, welche Juristen Personen sie aus dem BGB kennt. Hier nannte der Prüfling auch langem hin und her die Vereine und die GbR. Danach wollte die Prüferin wissen, was eine Gesamthandschaft ist, insbesondere sollten hier die Merkmale herausgearbeitet werden. Die Frage war nicht besonders schwer, jedoch kam der Dritte Prüfling nicht auf die Antwort. Dann ließ die Prüferin den ersten und zweiten Prüfling nochmal auf die Frage eingehen und nach einigem Hin und Her konnten die Merkmale herausgearbeitet werden. Die Prüferin wollte wissen, welche weiteren Gesamthandschaften noch im BGB normiert sind, hier wurde die Erbengemeinschaft genannt vom dritten Prüfling. Da der Dritte Prüfling nicht weiterwusste, wurde die Frage an mich weitergegeben. Ich nannte versehentlich die Zugewinngemeinschaft anstatt der Gütergemeinschaft, bemerke meinen Fehler direkt aber die Prüferin korrigierte mich sofort scharf. Dann sollte ich ihr den 566 BGB im historischen Kontext mit Sinn und Zweck erklären, sie wollte auch wissen, wie es sonst bei einer Grundstückübereignung laufen würde, hier wollte sie inter partes bzw. Relativität der Schuldverhältnisse hören. Dann wechselte sie zum ersten Prüfling und wollte hören, wie ein Grundstück sonst übertragen wird. Hier nannte der Prüfling 873 BGB. Die Frage, welche Norm da noch dazugehört. Hier nannte der Prüfling die Auflassung nach 925 BGB und wollte ein paar Ausführungen dazu machen jedoch wurde sie direkt unterbrochen und merkte an (wir fanden das alle sehr unprofessionell) , dass sie nur prüfen wollte, ob sie nicht vielleicht den 929 BGB anstatt 925 BGB nennt. Die Vorsitzende wies Frau Lepidus hin, dass die Prüfungszeit vorbei war. Dann wurden die 563 -564 BGB erörtert mit dem Prüfling 1, 2 und 3. Hierbei wollte die Prüferin insbesondere den historischen Kontext zu den Normen hören, wann die Normen eingeführt wurde, welche politische Situation damals herrschte und wieso die Normen dann eingeführt wurden. Die Fragen zu den Normen konnten zum größten Teil nicht richtig werden. Der historische Hintergrund und der daraus resultierende Sinn und Zweck konnte nicht erörtert werden. Die Prüferin gab die Frage im Anschluss frei, wann der 573c BGB eingeführt wurde und welche politische Lage damals in Deutschland herrschte. Auch diese Frage konnte niemand von uns beantworten. Von der ersten Prüferin wollte sie dann den 573c BGB erklärt bekommen. ZU diesem Zeitpunkt waren ca. 53min vergangen. Dann teilte die Prüferin einen kleinen mietrechtlichen Fall aus. „Sachverhalt: Eigentümer E vermietet eine 100m? große Wohnung an den Mieter M, der eine 7m2 große Kammer in der Wohnung an B untervermietet. E und M vereinbaren, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit potenziellen Erben des M nicht in Betracht kommt. M starb Ende 2014, wovon auch B Kenntnis erlangte. Mit Schreiben vom 29.12.2014 forderte E den B erfolglos zur Herausgabe der Wohnung auf. Mitte 2016 wurde in einem Rechtsstreit zwischen K und B der B rechtskräftig zur Räumung verurteilt und ihm eine angemessene Räumungsfrist bis zum 30.09.2016 gewährt. Im Rahmen der eingeräumten Räumungsfrist wurde die Wohnung von B nicht geräumt, so dass die Wohnung im Oktober 2016 zwangsgeräumt werden musste. E hätte die Wohnung bereits ab März 2016 vermieten können. E verlangt von B die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Wohnung für die Monate März bis September 2016. Zurecht? Aufgrund der Eile frage die Prüferin mich kurz nachdem ich den Fall zu Ende lesen konnte, welche Anspruchsgrundlagen in Frage kommen. Ich nannte etwas voreilig, ohne in das Gesetz zu schauen 987 BGB, weil sie sehr schnell eine Antwort gefordert hat, sie wollte einen Anspruch aus dem Mietrecht hören. Ich nannte 546a BGB aber nicht direkt, sondern analog. Sie wollte wissen, ob eine analoge Anwendung möglich ist, ich nannte ihre paar Argumente in beide Richtungen, lehnte die analoge Anwendung aber ab. Ich wollte dann nochmal 987 BGB ansprechen (weil ich dann wieder nach vorne geblättert habe und gesehen hatte, dass ich den falschen genannt hatte) und anmerken, dass der Anspruch doch nicht in Frage kommt, sondern eher 990 II i.V.m. 280ff BGB (was sie am Ende aufgelöst hat, ohne mich nochmal zu fragen), jedoch wurde die Frage, warum 987 BGB nicht geht, an den Dritten Prüfling weitergegeben. Dann frage die Prüferin den ersten und zweiten Prüfling, welche Ansprüche sonst noch in Frage kommen. Hier wurde 280 BGB genannt (was jedoch falsch war). Ich versuchte durch Augenkontakt der Prüferin zu signalisieren, dass ich gerne antworten würde (weil die anderen Prüflinge den Anspruch in 990 II nicht fangen), jedoch kam ich nicht mehr an die Reihe. Dann war die Prüfung nach über 60min vorbei.
Fazit: Nach der Prüfung ging es direkt mit Strafrecht weiter. Die Zivilrechtsprüfung lief so zäh und schlecht, dass die ganze Dynamik aus der Prüfung raus war. Ich muss sagen, dass die Gruppe nicht besonders gut war. Der Dritte Prüfling, der jedoch keine rechtsgeschichtliche Frage beantworten konnte (das waren aber ca. 40min der Prüfungszeit), bekam 5 Punkte, der erste Prüfling 4 Punkte und der zweite ebenfalls 5 Punkte. Ich fand die Bewertung nicht besonders fair, da ich tatsächlich den Dritten Prüfling deutlich schlechter empfunden habe als den ersten, zweiten und mich. Es stelle sich später heraus, der der dritte Prüfling Vornotenbeste im Zivilrecht war, sodass die Prüferin tatsächlich vornotenorierent war. Die Bewertung war in der Hinsicht nicht fair. Die Prüfung insgesamt war ein absoluter Dämpfer für die danach folgenden Prüfungen. Im privaten Gespräch mit der Vorsitzenden nach der Prüfung meinte diese, es wäre wahrscheinlich besser gewesen, mit ÖR oder StrafR zu beginnen, da sie das Gefühl hatte, dass durch ZivilR die ganze Luft raus war. Es gab auch eine sehr lange Pause bei uns (ca. 35min) nach der StrafR-Prüfung (die Pause gibt es eigentlich immer nach StrafR um die Noten der ersten beiden Prüfungen zu besprechen, die dauert jedoch meistens nur 10min), da vermutlich die anderen Prüfer den Prüfungsstoff der Zivilrechtsprüfung nicht gut fanden. Das Protokoll liest sich vermutlich ziemlich flüssig jedoch war die Prüfung sehr zäh. Ich bezweifle, das Rechtsgeschichte in einem so großen Ausmaß noch zum Prüfungsstoff gehört, da mehr als nur Grundlagen geprüft wurden. Am Ende habe nicht einmal am Gesetz arbeiten können um mein Wissen zu zeigen. Das BGB hätte man gefühlt für die Prüfung auch zu Hause lassen können. Die Juristenausbildung vor dem 19Jhd hatte sie bisher noch nie geprüft. Da sie insbesondere nicht zuließ, dass wird auf die Zersplitterung Deutschlands eingehen und die damalige rechtliche Situation, sondern eigentlich nur was zur Jursitenausbildung hören wollte, gingen viele Antworten eher an der Frage vorbei, da wir nicht so vertiefte Kenntnisse in Rechtsgeschichte hatten. Es tut mir sehr leid für dich, dass du ebenfalls die Prüferin als Prüferin bekommen hast. Ich hoffe, dass sie bei euch nicht nur abstrakte Fragen stellt und ihr somit die Möglichkeit habt, an einem Fall zu arbeiten, wie es ja auch normal ist. Eine Möglichkeit zur Notenverbesserung hatte ich trotz guter Vorbereitung nicht. Viel Erfolg!
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Juli 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.