Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Sachsen-Anhalt vom September 2022

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Note staatl. Teil 1. Examen 9,1
Gesamtnote 1. Examen 10,09
Gesamtnote 2. Examen 9,57

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Zulässigkeitsvoraussetzungen der einzelnen Klagearten

Paragraphen: §40 VwGO, §68 VwGO, §35 VwVG, §4 VwZG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann die Prüfung mit dem Austeilen eines Falls: Damit ein Mieter nicht in Folge einer Wohnungskündigung obdachlos wird, weist die Stadt ihn in die Wohnung ein. Der Vermieter erhielt den Bescheid mittels eingeschriebenen Briefes. Der Vermieter möchte sich dagegen wehren. Zudem möchte er den Mieter aus seiner Wohnung herausbekommen und verlangt Schadensersatz von der Stadt für das Abwohnen der Wohnung. Er ist der Auffassung, dass die Stadt auch Hotelräume hätte anmieten können. Ein Widerspruchsverfahren wurde durchgeführt. Wir begannen mit der Zulässigkeitsprüfung einer Klage. Eine aufdrängende Sonderzuweisung lag nicht vor. Bei der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges gem. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO wurden die verschiedenen Theorien zum Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit abgeprüft (Interessentheorie, modifizierte Subjektstheorie, Subordinationstheorie). Es war eine saubere Subsumtion gefragt. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn die streitentscheidende Norm einen Hoheitsträger einseitig berechtigt oder verpflichtet. Die Streitentscheidenden Normen in unserem Fall waren die Generalklausel § 13 SOG LSA für die Einweisung (Sicherstellung kam nicht in Betracht, da es der Behörde nicht um den Gewahrsam an der Wohnung ging), der Folgenbeseitigungsanspruch für die Räumung der Wohnung und ein Schadensersatzanspruch (69 SOG LSA) für den Schadensersatz. Der Folgenbeseitigungsanspruch musste hergeleitet werden (status negatius, Gewohnheitsrecht, Art. 20 GG, § 1004 BGB analog). Wir kamen zu dem Ergebnis, dass für den Schadensersatzanspruch der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und nicht der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.
Der Prüfer fragte dann nach § 17a und § 17 GVG. Bei der Statthaftigkeit der Klage musste zwischen der Anfechtungsklage für das Vorgehen gegen die Einweisung und der Leistungsklage für den Folgenbeseitigungsanspruch differenziert werden. Im Rahmen der Klagebefugnis § 42 Abs. 2 VwGO ging der Prüfer auf die Möglichkeitstheorie und die Adressatentheorie ein. Dabei galt es zu erkennen, dass bei der Leistungsklage die Adressatentheorie nicht einschlägig ist. Wir sind dann auch auf die verschiedenen Arten der Verwaltung (Leistungsverwaltung, Eingriffsverwaltung und fiskalisches Handeln der Verwaltung) zu sprechen gekommen. In diesem Zusammenhang ging es dann um den Vorbehalt des Gesetzes und voraus sich dieser ergebe. Dabei wollte der Prüfer nicht nur auf das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 GG hinaus, sondern auch auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 GG. Der Rest der Zulässigkeit war problemlos. Das Vorverfahren ist ordnungsgemäß durchgeführt worden. In diesem Zusammenhang ging es um die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes und die Anwendung des VwZG des Landes Sachsen-Anhaltes ( § 41 Abs. 5 VwVfG; § 1 Abs. 1 VwZG LSA i.V.m. VwZG). Die Drei-Tages-Fiktion des § 4 Abs. 2 VwZG wurde angesprochen. In diesem Zusammenhang sind wir auch auf eine Fristberechnung zu sprechen gekommen. Hierbei ging es um § 31 VwVfG. Für das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses lagen keine Anhaltspunkte vor. Im Rahmen der Begründetheitsprüfung war ein schöner Obersatz zu formulieren. Wir begannen dann mit der Rechtmäßigkeitsprüfung der Einweisungsverfügung. Die fehlende Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG war zu erkennen. Wir kamen dann auf die Heilungsmöglichkeit nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG zu sprechen. Die Anhörung war im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden. Der Prüfer fragte abschließend, worauf die Heilung eine Auswirkung hat. Hierbei wollte er auf die Kostenfolge des § 80 Abs. 1 S. 3 VwVfG hinaus. Damit endete die Prüfung. Viel Erfolg!

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Sachsen-Anhalt im September2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.