Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Note staatl. Teil 1. Examen |
10 |
Gesamtnote 1. Examen |
11 |
Gesamtnote 2. Examen |
11 |
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer stellte folgenden Fall, den er uns diktierte: Küchenkraft K arbeitet in einem großen Gastronomiebetrieb bei B. B hatte im Wege einer Mitarbeiterinformation ein Hygienekonzept rausgegeben. Danach wurde davor gewarnt eine Reise in ein Coronarisikogebiet vorzunehmen. Ansonsten drohe eine 14 tätige Quarantäne ohne Lohn. K hielt sich wegen der Beerdigung seines Bruders in einem Risikoland auf. Bei seiner Rückkehr nach Deutschland macht K eine Coronatest, der negativ ist. K weist auch keine Symptome auf und lässt sich dies von seinem Arzt auch bescheinigen. B weigert sich dennoch den K arbeiten zu lassen und zieht den Lohn ab. K will nun den einbehaltenen Lohn einklagen. Vor welchem Gericht? Arbeitsgericht, § 2 Nr. 3 ArbGG K klagt nun nicht anwaltlich beraten vor dem Amtsgericht. Was wird passieren? AG wird von Amts wegen des Verfahrens an das zuständige Arbeitsgericht abgeben, vgl. § 17a GVG; Was ist das Telos dieser Norm? Prozessökonomie; unnötige Verfahrenswiederholungen vermeiden; Hat § 17a GVG eine Regelungslücke? Welche Konstellation ist nicht geregelt? Wenn ein Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht annimmt und sich auch die Parteien nicht daran stören. Lösung im Gesetz: § 17a V GVG;513 ZPO Was ist, wenn die Parteien übereinstimmend beim Amtsgericht bleiben wollen? Ist eine Rüge lose Einlassung möglich? (-) da Verweisung von Amts wegen und ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte vgl. § 2 ArbGG; sowie 40 II ZPO; 39 ZPO auch (-) da dieser nur für örtliche + sachliche Zuständigkeit gilt. Klage vor ArbG zulässig, keine Probleme Begründetheit der Lohnklage: AGL: §§ 611a II, 612 BGB Grds. Kein Lohn ohne Arbeit, 614 BGB-Ausnahme 615 BGB? Dann müsste Annahmeverzug vorliegen, 293 ff. BGB-Nichtannahme + Angebot des K + 297 BGB wegen Hygienekonzept? Welche Elemente hat Konzept? 1. Darf nicht in Betrieb (Betretungsverbot) dies kann Arbeitgeber ggf. Regeln; 2. Quarantäne, darf AG nicht regeln; ist staatl. Stellen vorbehalten, da massiver Grundrechtseingriff; 3. Kein Lohn; darf AG nicht ausschließen, da sonst Missbrauchsgefahr durch Arbeitgeber K war auch leistungsfähig und bereit B hat Angebot nicht angenommen Klage begründet anschließend wurde Fall abgewandelt: Arbeitsgeber hat eine Maskenpflicht im Hygienekonzept vorgesehen, wenn man aus einem Risikogebiet kommt. Ist dies vom Weisungsrecht des Arbeitgebers aus §§ 611a I 2 BGB, 106 GewO gedeckt? => Falls ja, dann Klage unbegründet, da K kein ordnungsgemäßes Angebot abgegeben hat, deswegen kein Annahmeverzug; K wäre dann nicht leistungsbereit; Maßstab für Weisung ist billiges Ermessen gem. § 106 GEwO; also Ermessenentscheidung; AG muss nur vertretbares Ergebnis treffen; Hier + da Maßnahme dem Schutz der anderen Arbeitnehmer (618 BGB) und Gästen dient; sorgt dafür, dass Betrieb weitergehen kann; bei erheblichem Personalausfall müsste B sonst Betrieb ggf. schließen Was ist, wenn K meint die Weisung entspreche nicht billigem Ermessen? Wie läuft das in der Praxis ab? Wie ist das überprüfbar? Wo finden wir noch Regeln im BGB zum Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei? § 315 III BGB. Also direkt das Gericht anrufen? Nein, 106 GewO ist lex specialis und verdrängt 315 III BGB; 106 GewO sieht keine direkte Anrufung der Gerichte vor; Wann darf Arbeitnehmer eine Weisung auf keinen Fall verweigern? Bei gefährlichen Tätigkeiten, Sicherheitsbranche; auf hoher See Ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers konstitutiv für das Arbeitsverhältnis? (Prüfer merkte an, dies sei eine schwere Frage) Nein, Weisungsbefugnis ist Voraussetzung für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses; 2. Abwandlung: Die staatlichen Behörden verhängen einen kompletten Lockdown; alle Geschäfte, außer denen der täglichen Versorgung sind, zu, insb. die Gastronomie; Arbeitsleistung jetzt unmöglich? (-) K könnte arbeiten Was ist der Unterschied zwischen 293 und 286 BGB? Das Verschulden Dann wurde die Prüfung etwas wirr. Es wurde dann ohne Überleitung auf 615 S. 3 BGB eingegangen und gefragt, wann der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trage; Maßgeblich sei eine Abwägung der Risikosphären; Wenn wie im Fall, alle Betriebe ohne Unterschiede betroffen sind; liegt wohl eher allg. Risiko vor, dass Arbeitgeber nicht trägt; wenn hingegen nur einzelne Branche oder Betriebe geschlossen werden insb. wegen ihrer erhöhten Ansteckungsgefahr, dann wohl Betriebsrisiko + Insgesamt eine machbare Prüfung; wenn ein Prüfling nicht weiter wusste, ist er weitergegangen bzw. hat die Frage auch schon mal freigegeben. Seid also immer wachsam dabei und schaltet nicht ab.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im September 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.