Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Note staatl. Teil 1. Examen | 9,33 |
Wahlfach | 11 |
Gesamtnote 1. Examen | 9,68 |
Gesamtnote 2. Examen | 7,1 |
Prüfungsgespräch:
Zunächst stellte der Prüfer eine Kollegin zum Strafbefehlsverfahren nach §§ 407 ff StPO. Es ging insbesondere darum, welche Rechtsfolgen erlassen werden können (insbesondere Abgrenzung ohne und mit Verteidiger). Weitere einzelne Fragen konnte ich aufgrund der Lautstärke durch das offene Fenster und den Schall des Raumes leider nicht verstehen. Schaut euch am besten die Systematik zum Strafbefehlsverfahren noch einmal an. Danach schilderte er folgenden Fall (in wirklich sehr schnellem Tempo): A wird 2020 vom AG Mainz zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt (Höhe konnte ich mir leider nicht mitschreiben). Er legte hiergegen form- und fristgerecht Berufung ein. Am 02.09.2022 kam das Landgericht Mainz zur gleichen rechtlichen Würdigung und verurteilte den A zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten zur Bewährung. A legte daraufhin „Einspruch“ ein bei der Staatsanwaltschaft. Diese leitete das Schriftstück, eingegangen am 06.09.2022 weiter. Es kam am 09.09.2022 beim LG an. Zuallererst sollte dargelegt werden, wie man nun gegen das Urteil des LG vorgehen könnte (Revision) und wie man grundsätzlich gegen amtsgerichtliche Urteile vorgehen kann (Berufung oder Sprungrevision). Dann sollte die Zulässigkeit der Revision durchgeprüft werden. Insbesondere sollte dargelegt werden, ob es problematisch sei, dass A einen „Einspruch“ eingelegt hat. Dies ist jedoch unproblematisch, da erkennbar ist, dass er gegen das Urteil vorgehen möchte und auch ein unbestimmtes Rechtsmittel die Rechtskraft hemmt.
Zudem sei erkennbar, dass allein die Revision möglich sei, daher wäre dies unproblematisch. Hinsichtlich der Revisionseinlegungsfrist musste man erklären, dass bei einer falschen Zusendung eine Weiterleitung im normalen Geschäftsbetrieb erfolgt und daher relevant ist, wann das Schriftstück letztlich beim LG angekommen ist. Da dies am 09.09.2022 erfolgte, war die Revisionseinlegungsfrist noch eingehalten. Im Rahmen der Begründetheit sollte das Verfahrenshindernis der sachlichen Unzuständigkeit (in Abgrenzung zur örtlichen und instanziellen Unzuständigkeit als absolute Revisionsgründe) näher erläutern. Einzelne Zuständigkeitsfragen wurden beantwortet. Ich sollte überlegen, welches Verfahrenshindernis vorliegend denn problematisch sein könnte. Im Rahmen der Revision ist bei vorheriger Berufung auch diese und deren Zulässigkeit zu prüfen. Zudem ist problematisch, dass das Landgericht vorliegend gegen den Grundsatz des Verbots der reformatio in peius verstoßen hat, da es den Rechtsfolgenausspruch zum Nachteil des Angeklagten veränderte (ich sollte erklären, weshalb die Freiheitsstrafe schlimmer zu bewerten ist als eine Geldstrafe und wie das Verhältnis der beiden ist, gemeint ist, dass ein Tagessatz einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht). Daher wäre die Revision vorliegend erfolgreich. Zuletzt sollte noch geschildert werden, was das Problem sei, wenn der Vorsitzende einen Zuhörer aufgrund der Missachtung der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus dem Saal verweist. Einzugehen war auf den Grundsatz der Öffentlichkeit nach § 169 GVG und die Möglichkeit des Vorsitzenden nach § 176 StPO vorzugehen. Dabei sollte insbesondere daran gedacht werden, dass bei Ermessensentscheidungen eines Vorsitzenden die Pflicht zur Rüge nach § 238 II StPO besteht.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Rheinland-Pfalz im November 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.