Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Niedersachsen vom November 2022

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

7

Gesamtnote 1. Examen

9

Gesamtnote 2. Examen

6

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Straßenverkehrskontrolle

Paragraphen: §102 StPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer wollte eigentlich anlässlich der aktuellen Berichterstattung einen Fall zu den Klima- Aktivisten prüfen, die sich auf der Straße festkleben. Da diese Thematik bereits im Öffentlichen Recht abgeprüft wurde, musste er auf einen anderen Fall zurückgreifen. Zunächst schilderte der Prüfer uns den folgenden Fall: Wir sind Staatsanwalt/Staatsanwältin, haben gerade Bereitschaftsdienst und bekommen einen Anruf von der Polizei. Diese hat im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle einen Pkw angehalten, bei dessen Fahrer den Polizeibeamten gerötete Bindehäute und geweitete Pupillen aufgefallen waren. Bei einem anschließenden Test fiel den Polizeibeamten sein schwankender Gang auf. Der PKW-Fahrer räumte einen Drogenkonsum ein (das Rauchen eines Joints). Wie gehen wir jetzt vor? Erst wurde die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft geklärt (§§ 142, 143 GVG i.V.m. § 7 StPO und RistBV).
Anschließend fragte der Prüfer die Verdachtsstufen ab, wo diese geregelt seien und wofür man sie bräuchte. Er fragte insbesondere nach dem Unterschied zwischen dem dringenden Tatverdacht und dem hinreichenden Tatverdacht. Es ging ihm darum, dass sich beide Verdachtsstufen nicht allein durch den Wahrscheinlichkeitsgrad unterscheiden, sondern zwei völlig unterschiedliche Funktionen haben. Wir überlegten, welche Straftatbestände verwirklicht worden sein könnten, und prüften § 316 I StGB. Ein Urin-, Schweiß- oder Speicheltest wurde nicht durchgeführt. Stattdessen ergab eine Blutuntersuchung, dass sich in dem Blut des PKW-Fahrers Spuren von THC befanden. Wir prüften die Zulässigkeit einer Blutabnahme nach § 81a StPO. Weiterhin sprachen wir die Belehrungspflichten nach §§ 163a IV 1, 2, 136 I StPO, eine Beschlagnahme des Führerscheins nach § 94 III StPO i.V.m. § 69 I, III StGB und eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO an. Der Prüfer wollte wissen, wie wir vorgehen würden, wenn der PKW-Fahrer den Führerschein nicht freiwillig herausgeben würde. Eine Durchsuchung nach den §§ 102, 105 StPO scheiterte am Durchsuchungszweck. Der hier einschlägige § 111b StPO verweist in Abs. 2 u.a. auf die §§ 102, 105 StPO. Wir diskutierten, ob Gefahr im Verzug vorlag. Anschließend sollten wir überlegen, ob wir anhand der Beweismittel (Polizeibeamten als Zeugen, Blutuntersuchungsergebnisse, geständige Einlassung) einen hinreichenden Tatverdacht annehmen könnten. Ein zusätzliches Sachverständigengutachten findet seine Rechtsgrundlage in der Generalklausel § 161 StPO. Zuständiges Gericht war der Strafrichter (Straferwartung und BZR). Wir sprachen zudem über die relative und die absolute Fahruntüchtigkeit und über den Beweiswert eines Atemalkoholtestes im Vergleich zu einer Blutentnahme. Wir besprachen, wie vorzugehen sei, wenn wir einen hinreichenden Tatverdacht verneinen würden: Das Ermittlungsverfahren wäre nach § 170 II StPO einzustellen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben, der Führerschein herauszugeben und eine Einstellungsnachricht an den PKW-Fahrer zu senden. Der Prüfer spann den Fall weiter: Was wäre, wenn der Verteidiger des PKW-Fahrers die Verwertbarkeit des Ergebnisses eines Drogentests vor Ort gerügt hätte? Dieser sei zuvor nicht auf die Freiwilligkeit der Maßnahme hingewiesen worden. Wir diskutierten ein Verwertungsverbot nach § 136a III 2 StPO aufgrund einer Täuschung und ein Verwertungsverbot wegen Verletzung des Nemo Tenetur-Grundsatzes. Mangels willkürlichen Handelns der Polizei lehnten wir ein Beweisverwertungsverbot ab. Nur Mut – Ihr habt es bald geschafft! Einmal nochmal die Zähne zusammenbeißen. Ich wünsche euch viel Erfolg und natürlich das nötige Glück, um eure Wunschnote zu erreichen.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im November 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.