Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Note staatl. Teil 1. Examen |
7,47 |
Gesamtnote 1. Examen |
8,25 |
Gesamtnote 2. Examen |
9,11 |
Zur Sache:
Prüfungsstoff: protokollfest
Prüfungsthemen: ZPO, BGB
Paragraphen: §95 GVG
Prüfungsgespräch: Frage-Antwor
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer teilte zu Beginn der Prüfung einen Fall aus und wir bekamen sodann etwa 5 Minuten Zeit, um diesen selbstständig zu lesen. Die Zeit zum Lesen war nicht übermäßig lang, da der Fall jedoch nur eine ¾ Seite lang war ausreichend. Der Fall war bereits aus vorangegangenen Prüfungen bekannt und schilderte sich wie folgt: Sie sind Richter/Richterin am LG und bekommen folgenden Fall auf den Schreibtisch. In einer Klageschrift wurde der Folgende Klageantrag gestellt. I. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 48.000 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit XY zu bezahlen. II. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2000 € zu bezahlen. III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Zur Begründung heißt es wie folgt: Die Beklagte kaufte bei der Klägerin 16.000 FFP2-Masken zu je 3 €, die teilweise bereits (9.000 Masken) abgeholt und weiterverkauft (3.000 Masken) wurden, aber noch nicht bezahlt sind. Die Klägerin, eine GmbH, klagte gegen den Käufer, ebenfalls eine GmbH, auf Zahlung des Kaufpreises. Die Zahlung wurde verweigert, weil die Masken laut der Beklagten ein Zertifikat und ein Aufdruck fehlten, die Regierung von Oberbayern daher den Weiterverkauf untersagte und sie daher mangelhaft seien. Zwischen Abholung und Mitteilung über den Mangel lagen etwa 1 Monat, etwa ein halbes Jahr. Sie erklärt den „Rücktritt“ und etwa wieder einen Monat später forderte die Klägerin die Zahlung per anwaltlichem Schreiben. In der Klageerwiderung macht die Beklagte geltend, dass sie die Annahme der restlichen Masken verweigerte habe, da sie arglistig getäuscht worden sei und ein Zurückbehaltungsrecht habe. Als Beweis für die Mangelhaftigkeit der Masken wurde die Inaugenscheinnahme, sowie ein Sachverständigengutachten angeboten. Der Prüfer startete bei dem Vornotenschlechtesten und ging dann der Reihe nach weiter. Zunächst fragte der Prüfer nach der Begründetheit der Klage. Der Prüflinge startete dann sofort mit dem Rücktritt und einem Anspruch auf die Zinsen aus 286 II, 288 BGB, ohne zunächst klarzustellen, dass sich ein Anspruch auf die Zahlung des Kaufpreises sich aus § 433 II BGB ergeben könnte. Der Prüfer machte zwar Anstalten ihn zu unterbrechen, da er jedoch sehr schnell und lange gesprochen hat wurde die Voraussetzungen des Rücktritts geprüft. Voraussetzung hierfür ist eine Rücktrittserklärung und ein Rücktrittsgrund. Im Rücktrittsgrund wurde sodann dargelegt, ob hier ein Mangel iSd 434 I, II BGB vorliegt. Dabei stellte der Prüfling klar, dass er jetzt das neue Kaufrecht anwenden werde, obwohl der Sachverhalt im Jahre 2020 spielte. (Wohl aus dem Grund, dass wir die aF nicht zur Hand hatten). Innerhalb des Sachmangels fragte der Prüfer weiter, wer die Beweislast für das Vorhandensein des Sachmangels trage. Wir kamen zu dem Schluss, dass der Beklagte beweisbelastet ist, da er eine für sich vorteilhafte (Bestand von Mängelrechten nach 437 BGB) Rechtsposition geltend macht. Der Prüfer frage sodann was denn erforderlich ist, dass es bei einem Beweisangebot auch zu einer Beweisaufnahme kommt. Antwort: die Tatsachen müssen schlüssig vorgetragen sein, hinreichend substantiiert sein, es muss rechtserheblich sein und es muss ein taugliches nicht präkludiertes Beweismittel von der beweisbelasteten Partei angeboten wurden sein. Der Prüfer fragte sodann welchen praktischen Einwand der Kläger gegen das Beweisangebot der Augenscheinnahme einwenden könnte. Dabei half er uns ein bisschen auf die Sprünge, da niemand sofort die richtige Antwort wusste. Antwort: Dass es sich bei der vorgebrachten Maske auch wirklich um die verkaufte handelte. Dies lässt sich durch das Angebot eines Zeugenbeweises durch die Klägerin lösen, dass es sich bei der mitgebrachten Maske auch tatsächlich um die streitgegenständlichen handelt. Er fragte uns dann noch, was wir von der Anfechtung hielten und in welchem Verhältnis das Anfechtungsrecht zum Kaufrecht steht. Dieser Punkt wurde allerdings mit der gebotenen Kürze abgehandelt. Wir kamen sodann auf die Frage zu sprechen, inwieweit § 377 II HGB der Geltendmachung von Mängelrechten entgegensteht. Dabei stellten ein Prüfling heraus, dass es sich bei dem Verkauf der Masken für beide Seiten um ein Handelsgeschäft handelt, da es sich bei beiden um Formkaufleute handelt. Sodann sollte dargelegt werden, ob es sich bei der fehlenden Zertifizierung um einen offenen Mangel handelt. Dabei vertrat ein Prüfling, dass das „CE“ direkt auf die Masken gedruckt wird und damit sofort ersichtlich ist. Indem sie daher erst einige Zeit später gerügt wurde, gilt die Ware nach § 377 II HGB als genehmigt. Sodann ging er zum prozessualen Teil über. Dabei stellte er die – bereist bekannte – Frage was der Richter als erstes prüft, wenn er die Akte auf seinen Tisch bekommt. Seine Zuständigkeit. Dabei war eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts gegeben. In funktionaler Hinsicht sollte dargelegt werden, ob eine Zuständigkeit der Handelskammer nach §§ 94 ff GVG vorliegt. Dieses war Mangels eines Antrags nach § 97 GVG abzulehnen. Bei der Prüfung des § 95 I Nr.1 war dem Prüfer wichtig, dass dieser nicht für jeden Kaufmann greift, sondern nur für eingetragene oder solche die aufgrund von Sonderregeln für juristische Personen nicht eingetragen werden müssen. Er fragte hierfür nach einem Beispiel und genannt wurde der Ist-Kaufmann, der nicht eingetragen wird und für dem daher § 95 I Nr.1 GVG daher nicht greift. Er fragte weiter danach was als nächstes zu veranlassen sei. Bestimmung der Verfahrensart. Und anhand welcher Kriterien wir uns für die jeweilige Art entscheiden würde. Sodann fragte er noch welche Fristen bei einem schriftlichen Vorverfahren anzuordnen sind. Einmal eine Frist zu Verteidigungsanzeige und eine zur Klageerwiderung, vgl. § 276 I ZPO. Er fragte weiterhin danach wie als Richter damit umzugehen sei, wenn der Kläger nun erstmals in der Verhandlung anführen würde, dass nochmal versucht habe die Masken zu liefern. Der Prüfling prüfte sodann die Präklusion nach § 296 I ZPO. Der Prüfer meinte jedoch, dass ein solcher Vortrag für den Fall gar nicht erheblich sei und daher vom Gericht unberücksichtigt bleiben darf.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Dezember 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.