Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Note staatl. Teil 1. Examen |
8,34 |
Gesamtnote 1. Examen |
9,43 |
Prüfungsgespräch:
Die Prüferin teilte uns am Anfang der Prüfung einen Fall auf einer DIN A 4 Seite aus. Drogendealer D und E überlassen dem Kunden K insgesamt 50g Marihuana (Kaufpreis ca. 500 EUR). K verbraucht dieses rasch. Entgegen der Vereinbarung bezahlt K in der Folge nicht, trotz mehrfacher Aufforderungen durch D und E. Bei einem zufälligen Zusammentreffen von D und K sieht D die Gelegenheit, um das Geld einzutreiben, auf das er seiner Ansicht nach jedes Recht hat. D ruft E telefonisch hinzu. Sodann fahren D und E mit dem Auto zu K. K hat kein Geld dabei. D und E machen dem K durch Worte und Gesten unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie das Ganze nicht auf sich sitzen lassen und das Geld nötigenfalls gewaltsam eintreiben werden. D und E beschließen K an einen anderen Ort zu fahren, um ihn gefügig zu machen. Unter dem Eindruck der Drohungen steigt K ein, weil er sonst mit Tätlichkeiten rechnet. K muss sich nach hinten setzen, wo die Türe durch eine Kindersicherung verschlossen ist. Während der Fahrt kündigt man an, ihn in den Keller einzusperren und ihn nötigenfalls durch Folter zur Bezahlung zu bewegen. Er bekommt Panik, dreht das Fenster runter, öffnet die Türe und springt aus dem fahrenden Auto raus. Sein Fuß wird vom Hinterrad überrollt. Hieraus folgt eine schwere Knöchelverletzung, die eine OP erfordert. Es war davon auszugehen, dass keiner der Beteiligten eine Erlaubnis hatte, nach § 3 BtMG mit Drogen zu dealen. Die Prüferin wollte nun die Strafbarkeit von D und E geprüft haben. Nachdem die Prüferin den Sachverhalt einmal laut vorgelesen hatte, sollten wir anfangen. Wir stellten klar, dass D und E als Mittäter zusammen geprüft werden könne. Die Prüferin wollte anschließend noch wissen, was eine Mittäterschaft voraussetzt. Wir stellten auf einen gemeinsamen Tatplan ab sowie geeignete Tatbeiträge. Anschließend fuhren wir mit der Strafbarkeit der Beteiligten gem. §§ 249, 22, 23 StGB fort. Die Prüferin kam es hier genau auf die Definitionen von Nötigungsmittel und der Wegnahme an. Von uns wurde anschließend problematisiert, ob hier eine Wegnahme vorliegt. Insoweit grenzten wir zur räuberischen Erpressung ab. Hier wollte die Prüferin jeweils die Ansicht der Rechtsprechung und der Literatur hören. Wir entschieden uns für eine Erpressung, womit die Prüferin einverstanden war. Bei dem Streitstand wollte sie von zwei der Kandidaten deren Meinung zur Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung hören. Wir lehnten also den Raub ab und kamen zu einer Strafbarkeit wegen versuchter räuberischer Erpressung. Hier wollte Die Prüferin kurz auf das Erfordernis einer Vermögensverfügung hinaus. Anschließen problematisierten wir die Rechtswidrigkeit der Bereicherung im Rahmen der Erpressung. Wir stellten klar, dass K bei D und E Drogen im Wert von 500 EUR gekauft hatte. Insoweit könnte es sich um einen fälligen Anspruch von D und E handeln. Hier sollten wir auf den abgedruckten § 3 BtMG eingehen. Die Prüferin wollte darauf hinaus, ob ein Vertrag, der gegen gesetzliche Verbote verstößt, überhaupt einen Anspruch begründen kann und die Auswirkung auf die Rechtswidrigkeit der Bereicherung. Wir kamen dazu, dass der Kaufvertrag jedenfalls sittenwidrig sei und keine geeignete Rechtsgrundlage für eine Kaufpreisforderung von D und E. Wir bejahten damit, mangels fälligen Anspruchs, die Rechtswidrigkeit der Bereicherung. Damit gab sich die Prüferin zufrieden. Die Prüferin wollte noch kurz auf die Annahme eines Verbotsirrtums hinaus (D sieht sich hinsichtlich des Eintreibens des Geldes im Recht). Hier kam es ihr genau auf die Definition der Vermeidbarkeit an. Wir gingen anschließend noch kurz auf die Rechtswidrigkeit ein (besondere Vorschrift des § 253 II StGB). Kurz sollten wir uns mit den Regelbeispielen des § 253 IV StGB auseinandersetzen, welche aber nicht einschlägig waren. Anschließend wollte die Prüferin noch hören, was sonst noch für Delikte in Betracht kamen. Wir nannten eine einfache Nötigung sowie eine Freiheitsberaubung und ein erpresserischer Menschenraub. Die Prüferin wollte näher auf die Freiheitsberaubung und den erpresserischen Menschenraub eingehen. Im Rahmen der Freiheitsberaubung wollte die Prüferin wissen, ob ein Einsperren vorlag und wie sich die Flucht des K auf die Strafbarkeit auswirkte. Wir nannten die Definitionen und wiesen darauf hin, dass hier die potenzielle Fortbewegungsfreiheit geschützt war. Anschließend stellte uns die Prüferin die Frage, wie sich das Einsteigen des K auf die Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung auswirkte. Wir nannten entweder das tatbestandsausschließende Einverständnis oder eine rechtfertigende Einwilligung. Hier wollte die Prüferin genau die Abgrenzung zwischen den beiden Rechtsinstituten hören. Wir entschieden uns dafür, dass aufgrund der Drohung jedenfalls kein tatbestandsausschließendes Einverständnis vorlag. Damit gab sich die Prüferin zufrieden. Wir gingen noch kur auf eine Qualifikation gem. § 239 III StGB ein. Weiter sollten wir uns mit dem erpresserischen Menschraub beschäftigen. Wir bezeichneten § 239a StGB als zweiaktiges Delikt und prüften die Voraussetzungen. Die Prüferin wollte auf die teleologische Reduktion des erpresserischen Menschenraubes hinaus, wenn Nötigungshandlung der Erpressung und das Sich Bemächtigen in einem Akt zusammenfallen. Wir nannten die Ansichten und lehnten eine Strafbarkeit aufgrund der teleologischen Reduktion ab. Am Ende sollte wir noch die Körperverletzungsdelikte prüfen. Hier gingen wir zunächst auf eine vorsätzliche Körperverletzung ein, was wir aber am Ende mangels Vorsatzes ablehnten. Im Rahmen der fahrlässigen Körperverletzung sollte noch kurz eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung des K problematisiert werden, indem er aus dem Auto sprang. Dann war die Prüfung beendet.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Baden-Württemberg vom Januar 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.