Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen vom März 2023

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

8,33

Gesamtnote 1. Examen

10,22

Gesamtnote 2. Examen

8,07

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest, aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Aktuelle Reformen / Themen

Paragraphen: §306a StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Einleitend wurden wir gefragt, was wir im materiellen oder prozessualen Strafrecht ändern wollten, wenn wir die Möglichkeit hätten. In diesem Kontext ist es sinnvoll, sich in Bezug auf aktuelle rechtspolitische Themen vorzubereiten, sich etwaiger Vor- und Nachteile von Vorhaben oder bereits erfolgten Änderungen bewusst zu sein sowie im Anschluss Flagge zu bekennen. Hierbei war es nach meinem Empfinden ausreichend, ein kurzes Feedback in eigenen Worten zu geben, ohne dass man das Rad neu erfinden musste. Vereinzelt wurde dies als eine Art Kurzvortrag vorbereitet. Dies kann sinnvoll sein, war aber nicht zwingend erforderlich. Wir gingen auf die Reform von § 184b StGB, die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Strafbefehls, die Wideraufnahme zuungunsten des Verurteilten § 362 Nr. 5 StPO sowie die Möglichkeit der Aufzeichnung einer Hauptverhandlung ein.
Sodann stiegen wir in die Prüfung ein. Es handelte sich dem Ausgang nach um einen Fall aus dem Lehrbuch von Willanzheimer. Aus meiner Sicht lohnt es sich definitiv, sich mit den Fällen auf die Prüfung vorzubereiten. Auch wenn kein Fall daraus abgefragt wird, bereitet es sehr gut auf das mündliche Prüfungsgespräch und die mögliche Denkweise der Prüferin vor. Der rote Faden erfolgte nicht strikt an dem Skript des Buches, sondern entwickelte sich durchaus dynamisch nach den Antworten der Prüflinge, was definitiv als Chance gesehen werden kann. Der Fall gestaltete sich im Wesentlichen folgendermaßen: Aus anwaltlicher Sicht sollten wir einen Mandanten beraten, der uns einen Sachverhalt schilderte. Seine Familie betreibe eine Bäckerei. Er, seine Geschwister und seine Eltern. Neben der Herstellung umfasse dies auch, die Backwaren mit einem Kfz auszufahren. Dazu nutzten sie bis vor kurzem einen alten VW Passat, Diesel (über 300.000 km runter, Wert unter 500 Euro). Mit der Zeit beschloss die Familie, sich ein moderneres Fahrzeug zu leasen. Der Mandant schlug der Familie vor, den alten Wagen kostengünstig zu verschrotten. Die Mutter hing jedoch sehr an dem Fahrzeug und wollte dies nicht. Daher entschloss sich der Mandant eines Nachts dazu, den Wagen eigenständig auf einem familieneigenen Grundstück zu verbrennen. Es handelte sich dabei um eine freistehende asphaltierte Fläche, bei der andere Gebäude, oder Menschen nicht gefährdet würden. Mithilfe eines Streichholzes und Benzin entzündete er das Fahrzeug, rief aber dann die Feuerwehr, die den Brand löschte. Zunächst wurden wir gefragt, was wir noch vom Mandanten wissen wollten. Diese Frage schien halbwegs frei gegeben zu sein, sodass es sich – auch wenn grundsätzlich ein Melden oder eigenständiges Antwortgeben nicht gewünscht war – anbot in diesem Kontext durch Melden auf sich aufmerksam zu machen. Etwaige Fragestellungen waren dann in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse, die räumlichen Gegebenheiten, den Zeitpunkt des Eintreffens der Feuerwehr sowie den Zustand des Kfz nach dem Löschvorgang. Ebenso wurde – mit Blick auf die Verwertbarkeit etwaiger Angaben – gefragt, was der Mandant gegenüber der ebenfalls anwesenden Polizei geäußert hatte und inwieweit er belehrt wurde. Ich denke, an dieser Stelle kann bereits mit logischem praxisnahem Denken ein gutes Fundament für die Notengebung geschaffen werden, ohne dass man mit rechtlich tiefgründigen Ausführungen glänzen müsste. Aber auch Nachfragen wegen eigener Unklarheiten hinsichtlich des Sachverhalts erschienen gewollt, da praxisnah. In die Prüfung stiegen wir dann mit den Delikten des 28. Abschnitts an und prüften diese. Es schien gewollt, die Tatbestände sauber mit den Definitionen zu prüfen. Jeder bekam hinreichend Redezeit und konnte eigene Ausführungen anbringen. Es wurde ein minder schweren Fall i.S.v. § 306 III StGB besprochen. In dem Zusammenhang führte die Prüfung in den Allgemeinen Teil des StGB, sodass wir über die Bildung von Geld- und Freiheitsstrafe und darüber sprachen, wann überhaupt eine Freiheitsstrafe verhängt wird. Diskutiert wurde dann auch die tätige Reue i.S.v. § 306e StGB. Neben den Sachbeschädigungsdelikten konnte man auch an die Straftaten des 29. Abschnitts denken, wobei aber absolut keine fundierten Kenntnisse erwartet wurden. Da der Mandant zudem Angst hatte, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt zu werden, weshalb sich die Beratung vor allem auch auf die in Frage kommenden Sanktionen erstreckte. Im Anschluss kamen wir dann zu einem weiteren Fall, der ebenfalls aus anwaltlicher Sicht zu beurteilen war. Ein Mandant hatte einen Strafbefehl wegen eines Diebstahls mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 150 Euro erhalten. Der Sachverhalt stimmte mit seinen Angaben überein. Er habe aber kein Geld und wolle keinesfalls die Summe bezahlen. Im Rahmen dieses Falles sprachen wir die Voraussetzungen und Optionen des weiteren Vorgehens bei Erhalt eines Strafbefehls durch. Dabei konnte mit sauberer Arbeit anhand der §§ 407 ff. StPO gepunktet werden. Auch hier lag der Fokus teils auf praktischem Denken, etwa, ob dies mit Blick auf die Frist überhaupt noch mögliche wäre und wie wir Akteneinsicht beantragen. Wir besprachen, aus welchen Elementen sich eine Geldstrafe zusammensetzt und welche Höhe in unserem Fall wohl angemessen wäre. Da der Mandant nicht vorbestraft war und die Tat insgesamt ein geringes Unrecht aufwies, entschieden wir uns dann dafür, den Strafbefehl nur auf die Rechtsfolgenseite beschränkt anzugreifen. Über diese Möglichkeit und die Beratung des Mandanten sprachen wir eine Weile, wobei jeder einen Schlusssatz formulieren durfte, wie wir die Beratung gegenüber dem Mandanten abschließen würden.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im März 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.