Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Sachsen-Anhalt vom September 2023

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

6,87

Endnote

8,33

Endnote 1. Examen

7,05

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Vertretungsrecht, BGB-AT

Paragraphen: §§176 BGB, §181 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer warf zunächst den Begriff „Vorsorgevollmacht“ in den Raum. Es sollte nun zunächst erläutert werden. Was darunter zu verstehen ist und für welchen Fall diese herangezogen wird – Bei einer Vollsorgevollmacht handelt es sich um eine Vollmacht, bei der der Vertreter die Geschäfte des Vertretenen übernimmt, wenn dieser wegen Krankheit o.ä. nicht mehr in der Lage ist. Auf die familienrechtlichen Besonderheiten dessen wollte er nicht weiter eingehen, sondern verblieb für den Rest der Prüfung überwiegend im BGB AT. Wie kann die Vollmacht ausgestaltet werden – unter Bedingung oder als Generalvollmacht. Was ist zweckmäßiger – Generalvollmacht, da dies im Geschäftsverkehr besser anerkannt wird. Es sollte dann auf den Unterschied zwischen Innen- und Außenverhältnis einer Vollmacht eingegangen werden. Was stellt die Gestaltung des Innenverhältnis für ein Rechtsverhältnis dar – einen Auftrag. Danach ging er ausführlich auf die Form der Vollmacht ein. Welche Form benötigt eine Vollmacht – § 167 II BGB grundsätzlich keine. Welche Form wäre jedoch zweckmäßig – mindestens schriftlich, weil nach § 174 BGB bei einseitigen Rechtsgeschäften, das Rechtsgeschäft ohne Vorlage der Vollmacht zurückgewiesen werden kann. Häufig werden in der Praxis Vorsorgevollmachten jedoch notariell beglaubigt, warum – Notar ist nicht nur ausführend, sondern auch beratend tätig; es handelt sich um das „höchste“ Formerfordernis; bei Geschäften mit Grundstücken muss für Änderungen am Grundstück zumindest eine beglaubigte Vollmacht vorliegen. Darauf aufbauend sollten wir uns vorstellen, dass ein älterer Herr allein vor dem Notar eine Vorsorgevollmacht zugunsten seines Neffen erstellen lässt. Nun sollte herausgearbeitet werden, wann die Vollmacht tatsächlich wirksam wird. Wir sollten erkennen, dass es sich bei der Vollmacht/Auftrag um gegenseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen handelt. Beim bloßen Aushändigen der Vollmacht handelt es sich um einen Antrag, der spätestens mit dem ersten Gebrauchen der Vollmacht konkludent angenommen wird. Nun sollte aber der Fall diskutiert werden, dass der ältere Herr die Vollmacht nicht direkt aushändigt, sondern zunächst bei sich aufbewahrt. Der Vorteil darin, ist dass er es sich nochmal überlegen kann, ob er die Vollmacht tatsächlich erteilen will oder nicht. Weiter sollte nun herausgearbeitet werden, dass auch die Annahme eine empfangsbedürftige Willenserklärung und dass der Zugang der Annahme hier problematisch ist. Der Herr würde von der Verwendung der Vollmacht tatsächlich nichts mitbekommen. Da wir nicht sofort darauf kamen, worauf der Prüfer hinauswollte, wurde vorgeschlagen, dass der Neffe durch die Vollmacht auch empfangsberechtigt sein würde und die Annahme quasi durch ihn selbst erfolgen würde. Dies würde jedoch das Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB verstoßen. Dies könne zwar ausdrücklich in einer Vollmacht ausgeschlossen werden, darauf wollte er hier aber nicht hinaus. Die Lösung lag in § 151 BGB, wonach eine Annahme dann nicht zugehen muss, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Insgesamt war die Prüfung in Ordnung. Da es keinen Fall zur Bearbeitung gab und viele Zweckmäßigkeitsfragen gestellt wurden, die eher in einer Anwaltsprüfung zu erwarten sind, war es im Einzelfall jedoch nicht immer eindeutig, worauf er mit seinen Fragen abzielte und machten ein grobes Vorüberlegen auch schwierig. Obwohl wir alle nach der Prüfung verwirrter waren als vorher, waren die Noten immer noch recht positiv. Ich wünsche euch allen viel Erfolg bei der Prüfung!

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Sachsen-Anhalt im September 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.