Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Niedersachsen vom März 2024

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

12,01

Endnote

12,65

Endnote 1. Examen

12,53

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Cannabisgesetz Resilienz des BVerfG Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden

 Paragraphen: §35GewO, §76 GG, §84 VwGO, §86 VwGO

Prüfungsgespräch: Diskussion

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann seine Prüfung mit der Frage, wo sich gesetzliche Regelungen über das Bundesverfassungsgericht finden würden. Hier wurden die Art. 93, 94 GG und schwerpunktmäßig das BVerfGG genannt. Anschließend fragte der Prüfer, ob es aktuelle Gesetzgebungsbestrebungen rund um das BVerfG geben würden. Hier nannten wir die Aktuelle Debatte um einen besseren Schutz des BVerfG durch Inkorporierung von Regelungen aus dem BVerfG in das Grundgesetz. Hier fragte uns der Prüfer auch noch, ob es möglich wäre, dass der aktuelle Bundestag die Wahlperiode von 4 Jahren auf 5 Jahre erhöhen würde. Hier wollte er zunächst wissen, wo die Wahldauer im GG geregelt ist (Art. 39 GG) und wie die Wahldauer in Niedersachsen sei (5 Jahre). Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Erhöhung der Wahlperiode verfassungsgemäß sei, kamen für auf die Ewigkeitsklausel aus Art. 79 III GG zu sprechen und problematisierten, ob eine solche Erhöhung gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 I GG) verstoßen würde. Wir kamen zu dem Schluss, dass eine Erhöhung auf 5 Jahre wohl mit Art. 20 I GG vereinbar sei, weil dies die Arbeitsfähigkeit des Parlaments stärken könne und auch bei 5 Jahren noch eine regelmäßige Erneuerung der demokratischen Legitimation gegeben wäre. Allerdings könne der Bundestag dies nicht für die aktuelle Periode beschließen, weil insoweit keine Legitimation gegeben wäre, weil die Wähler dem althellen Parlament nur einen Wahlauftrag für 4 Jahre gegeben hätten. Anschließend ging der Prüfer auf das Thema „Cannabisgesetz“ ein. Hier wollte er zunächst ein paar Stichworte zu dem Gesetzesentwurf hören. Anschließend gingen wir darauf ein, dass dieses Gesetz sich gerade beim Vermittlungsausschuss befinde. Dies nahm der Prüfer zum Anlass, um verschiedene Fragen rund um den Vermittlungsausschuss zu stellen (Wo ist der Vermittlungsausschuss normiert= Art. 77 II GG; Was ist der Unterschied zwischen Einspruch und Zustimmungsgesetz? Woher weiß man, ob ein Zustimmungsgesetz oder ein Einspruchsgesetz vorliegt = Grundsatz Einspruchsgesetz, Zustimmungsgesetz nur bei Normierung im Grundgesetz; Welche Beispiele von Zustimmungsgesetzen gibt es im Grundgesetz?) In diesem Kontext sprachen wir an irgendeiner Stelle auch noch über die Art. 83 ff. GG. Abschließend stellte uns der Prüfer einen Fall aus dem Verwaltungsrecht: A betreibt ein Baumfällgewerbe mit Holzverkauf. Er hat jedoch in letzter Zeit vermehrt Steuern in beträchtlichem Volumen (rund 100.000 Euro) nicht abgeführt. Die Finanzbehörde überlegt nun, was sie tun kann. Sie kann sich an die zuständige „Gewerbebehörde“ wenden und dieser den Sachverhalt mitteilen. Diese könnte dann eine Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO erwägen. Wir sollten dann den § 35 GewO durchprüfen. Schwerpunkt war hier die Prüfung der Unzuverlässigkeit des A. Hier wollte der Prüfer zunächst eine saubere Definition des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unzuverlässigkeit (Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt.) hören und dann eine saubere Subsumtion. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass die beträchtlichen Steuerschulden des A eine Unzuverlässigkeit des A begründen würden, weil diese im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung seines Gewerbes stehen würden. Der Prüfer wollte dann noch wissen, ob der zuständigen Behörde ein Ermessen zustehen würde (Nein: „ist zu untersagen“). Der Prüfer wollte dann wissen, wie der A sich gegen eine Gewerbeuntersagung wehren könne. Dies war die Anfechtungsklage, weil ein Widerspruchsverfahren vorliegend unstatthaft war. Er fragte uns zudem, welche Konsequenz es hätte, wenn der A zwar Klage erheben würde, diese jedoch nicht begründen würde. Wir kamen auf § 82 I 3 VwGO zu sprechen. Danach „sollen“ die zur Begründung erforderlichen Tatsachen angegeben werden. Damit ist eine Begründung nicht zwingend erforderlich, da nach § 86 VwGO Amtsermittlung (keine Geltung des Beibringungsgrundsatzes) gilt. Allerdings gilt die Grenze dort, wo die Einflussmöglichkeiten des Gerichts enden. Auch spricht § 86 I 1 1. Hs. VwGO davon, dass die Beteiligten heranzuziehen sind. Daraus ergibt sich, dass bei fehlender Mitwirkung der Parteien eine Entscheidung auch zu deren Lasten gehen könne. Ich schlug vor, dass man aber jedenfalls einen rechtlichen Hinweis erteilen müsse, dass eine Begründung bislang fehle und zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich wäre. Ob dies zutreffend ist, klärte der Prüfer aber nicht auf. Der Prüfer wollte dann wissen, wie man das Verfahren vereinfachen könne, wenn die Informationen nicht erlangt werden könnten und man darum die Klage abweisen wolle. Er wollte auf § 84 VwGO hinaus. In einer kurzen Abwandlung fragte der Prüfer dann, welche Auswirkungen es hätte, wenn der A im Verfahren mitteilen würde, dass er mittlerweile seine Steuerschulden stets zahlen würde und darum nun jedenfalls zuverlässig sei. Das hängt davon ab, welcher Zeitpunkt für das Vorliegen der Unzuverlässigkeit maßgeblich ist. Grundsätzlich ist das bei der Anfechtungsklage der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Eine Ausnahme gilt jedoch bei Dauerverwaltungsakten (=letzte mündliche Verhandlung). Vorliegend gilt jedoch wegen § 35 VI GewO eine Rückausnahme. Diese Vorschrift beinhaltet ein Wiedergestattungsverfahren. Dies spricht dafür, dass eine nachträglich eintretende Zuverlässigkeit nicht im laufenden Verfahren, sondern erst in einem getrennten Wiedergestattungsverfahren berücksichtigt werden darf. Im Ergebnis war ist der Vortrag des A, er sei nunmehr wieder zuverlässig, für den Ausgang des laufenden Gerichtsverfahrens irrelevant. Ich würde euch empfehlen euch noch einmal Basics zum Gesetzgebungsverfahren anzuschauen und ansonsten den Schwerpunkt auf das materielle Verwaltungsrecht und vor allem das Verwaltungsprozessrecht legen. Macht euch mit der VwGO vertraut und wiederholt die Basics im Verwaltungsrecht (z.B. Abgrenzung Verwaltungsakt – Rechtsverordnung etc.). Ihr habt es bald geschafft, mit diesem Prüfer habt ihr einen guten Prüfer erwischt!

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im März 2024. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

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