Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Endpunkte |
7,8 |
Endnote |
8,9 |
Endnote 1. Examen |
6,0 |
Zur Sache:
Prüfungsthemen: Tötung, Tötung durch Unterlassen, Abgrenzung von Tun und Unterlassen, Milderungsgründe
Paragraphen: §212 StGB, §213 StGB, §13 StGB, §22 StGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein, Fragestellung klar
Prüfungsgespräch:
Der Ehemann und Vater der Täterinnen ist Alkoholiker und hat sich mehrfach versucht, umzubringen. An einem Tag sitzen alle drei vor dem Fernseher, Ehefrau, Ehemann und Tochter. Der Ehemann verabschiedet sich und sagt, dass er sich nun das Leben nehmen will. Er geht auf den Dachboden, legt eine Schlinge um seinen Hals und versucht sich zu erhängen. Während er an der Schlinge hängt, fängt er an zu schreien, weil er an seinem Todeswunsch nicht mehr festhalten will. Ein Nachbar hört die Hilfeschreie und klingelt. Die Ehefrau öffnet die Tür und sagt, die Hilfeschreie kämen vom Fernseher. Der Nachbar dringt trotzdem in die Wohnung und geht auf den Dachboden, legt einen Stuhl unter die Füße des Ehemannes und kann ihn dadurch retten. 4 Wochen später hat sich der Ehemann selbst getötet. Gefragt wurde zunächst, welche Straftatbestände in Betracht kommen. Genannt wurden §§ 212, 22, 23, 13, aber auch § 216, 22, 23, 13 sowie § 323c StGB. Das Tatgeschehen wurde sodann in das Geschehen vor der Ankunft des Nachbarn einerseits und nach der Ankunft des Nachbarn andererseits geteilt. Sodann wurde jeweils die Strafbarkeit der Ehefrau und der Tochter geprüft. Hinsichtlich der Ehefrau wurde intensiv der §§ 212, 22, 23, 13 StGB geprüft, wobei eine Unterlassungsstrafbarkeit nicht in Betracht kam. Die Prüfung wurde allerdings nicht unterbrochen. Zunächst wurde erörtert, wann im Allgemeinen eine strafbare Tötung in Abgrenzung zur straflosen Beihilfe zur Selbsttötung vorliegt. Im Rahmen der Unterlassungsstrafbarkeit wurden nach der Vorprüfung der Tatentschluss hinsichtlich der Tötung durch Unterlassen erörtert. Der Tatentschluss bezieht sich neben der Tötung einer anderen Person vor allem auf die die Garantenstellung begründenden Umstände. Hierbei sollte erörtert werden, ob die Ehe eine Garantenstellung begründet und ob diese Umstände der Ehefrau bekannt waren. Zu nennen waren hier Schlüsselwörter wie eheliche Lebensgemeinschaft oder auch häusliche Gemeinschaft. Scheinehen und Ehen, bei denen eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht herrschte, kommen für die Begründung einer Garantenstellung dagegen nicht in Betracht. Im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens wurde vor allem die Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen erörtert. Hier sollte geprüft werden, ob das Abhalten des Nachbars an der Hilfeleistung ein Tun oder Unterlassen darstellt. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass der Schwerpunkt auf einem Tun liegt, weil ein Fall des Eingriffs in Form des Abhaltens einer fremden Hilfeleistung vorliegt. Ergebnis: Strafbarkeit der Ehefrau gem. §§ 212, 22, 23 StGB (+) Hinsichtlich der Tochter kam eine Strafbarkeit wegen §§ 212, 22, 23, 13 StGB sowie § 323c StGB in Betracht. Hinsichtlich der inhaltlichen Prüfung kann, auf die der Ehefrau verwiesen werden. Lediglich hinsichtlich der Umstände, die eine Garantenstellung begründen, sollte nochmals erörtert werden, ob Kinder Garanten für ihre Eltern sind. Auch hier war vor allem auf die häusliche Lebensgemeinschaft abzustellen. Schließlich wurde noch ein möglicher Rücktritt diskutiert. Hierfür dürfte zunächst kein Fehlschlag vorliegen. Dieser war im vorliegenden Fall offensichtlich nicht gegeben. Hinsichtlich der Rücktrittshandlung ist bei der Strafbarkeit durch Unterlassen zu beachten, dass die Rechtsprechung davon ausgeht, dass ein unbeendeter Versuch nicht vorliegen kann und der Täter die Vollendung der Tat verhindern muss, d.h. immer ein beendeter Versuch gegeben ist. Ein beendeter Versuch durch Unterlassen liegt vor, wenn der Täter glaubt, dass er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges auch durch Nachholung der gebotenen Handlung nicht mehr verhindern kann. Ein Rücktritt war im Ergebnis abzulehnen. Gegen Ende der Prüfung wurde noch erörtert, ob ein Fall des § 213 StGB vorliegt, was im Ergebnis allerdings abgelehnt wurde. Zuletzt sollten noch die vertypten Milderungsgründe (z.B. § 13, 17 StGB) genannt werden.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im August 2024. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.