Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – NRW vom Januar 2025

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

4,0

Endnote

4,0

Endnote 1. Examen

5,0

Zur Sache:

Prüfungsstoff:  aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Eilrechtschutz, Antrag nach § 80 V VwGO, Verwaltungsakt, Grundrechte (Kunstfreiheit)

 Paragraphen: §53 SchlG, §5 GG, §80 VwGO, §123 VwGO, §42 VwGO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer hat uns folgenden Fall, der auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts spielt, gestellt: Die A ist Schülerin auf einem Gymnasium in Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen. Sie ist Influencern auf Instagram. In der Schule ist sie der Mittelpunkt. Um die A herum organisiert sich deshalb eine Gruppe. B jedoch kritisiert die A wegen ihrer Konsumsucht. Die A und ihre Gruppe geraten daher mit der B aneinander. Am 20.12.2024 kommt es zu einem Vorfall. A und ihre Gruppe fangen die B ab und schlagen diese. Dies sieht der Hausmeister und berichtet von dem Vorfall dem Schulleiter. Der Schulleiter ist von dem Verhalten der A irritiert, weil er diese anders eingeschätzt hatte. Nach einer Bedenkzeit erlässt er schließlich am 17.01.2024 einen Bescheid mit folgendem Inhalt: 1. Aufgrund der Vorkommnisse vom 20.12.2024 wird A für 2 Wochen, und zwar für den Zeitraum vom 27.01.2025 – 10.02.2025, vom Unterricht ausgeschlossen. 2. Für den Fall, dass sich ein vergleichbarer Vorfall wiederholen sollte, wird angedroht, dass A von der Schule entlassen wird. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, die Maßnahme sei erforderlich, um die B zu schützen. Dieses Recht sei mit dem Recht der A am Unterricht teilzunehmen abgewogen worden. Als die Eltern der A den Bescheid erhalten sind diese empört. Auch deshalb, weil die A nunmehr ein Kunstprojekt, dass sie in der Schule angefangen hat und an dem sie über Monate gearbeitet hat, nunmehr nicht in der Schule zu ende stellen kann und dieses nicht ausstellen kann (das Kunstprojekt sollte bei einer Veranstaltung ausgestellt werden, die im Zeitraum liegt, in dem die A vom Unterricht ausschlossen werden soll). Die Eltern kommen zu Ihnen als Rechtsanwalt und fragen, ob und wie sie gegen den Bescheid vorgehen können. Wir haben zunächst darüber gesprochen, was hier am zweckmäßigsten wäre. Antwort: Eilrechtschutz, weil der Ausschluss vom Unterricht unmittelbar bevorsteht. Wir haben uns dann gefragt, welche Art von Eilrechtschutz in Frage kommt (Antrag nach § 80 V VwGO oder § 123 I VwGO) und wonach sich das richtet (§ 123 V VwGO). Da in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft wäre, kam ein Antrag nach § 80 V VwGO in Betracht. Wir haben dann geprüft, ob ein Widerspruch oder eine Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hätte. Antwort: Gemäß § 53 III S. 2 SchulG NRW haben Rechtsbehelfe (Widerspruch und Anfechtungsklage) gegen Ordnungsmaßnahmen nach Satz 1 Nr. 2 und 3 keine aufschiebende Wirkung. Demnach müsste der Antrag nach § 80 V S. 1 1. Fall VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung lauten. Losgelöst vom eigentlichen Fall hat der Prüfer gefragt, was man denn macht, wenn denn passiert, wenn Anfechtungsklage/Widerspruch eigentlich aufschieben Wirkung haben, die Behörde dies aber fälschlicherweise anders sieht. Antwort: Eine Feststellungsklage erheben und feststellen lassen, dass Anfechtungsklage/Widerspruch gegen den Bescheid vom xx aufschiebende Wirkung entfaltet. Rechtsgrundlage für einen solchen Antrag? Antwort: 80 V VwGO analog. Wir haben dann „klassisch“ den Antrag nach § 80 V VwGO durchgeprüft, also Zulässigkeit des Antrags und Begründetheit des Antrags. In der Zulässigkeit haben wir die Punkte: Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 VwGO), statthafte Antragsart (§ 42 VwGO analog), Antragsgegner (§ 78 VwGO), zuständiges Gericht und das allgemeine Rechtschutzbedürfnis geprüft. Bei dem richtigen Antragsgegner stellte sich hier die Frage, wer dies ist. (Auch) nach dem Rechtsträgerprinzip kamen in Betracht: die Stadt Düsseldorf oder das Land Nordrhein-Westfalen. Da das Land nach dem SchulgG NRW die Aufsicht hat und Weisungen erteilen kann, war hier vertretbar, dass das Land der richtige Antragsgegner (so sieht es wohl auch die Rechtsprechung). Dann kamen wir zur Begründetheit: Der Antrag nach § 80 V S. 1 VwGO ist begründet, wenn nach summarischer Prüfung das (private) Aussetzungsinteresse des Antragstellers das (öffentliche) Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Dies bestimmt sich grundsätzlich nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Erfolgsaussichten in der Hauptsache: Das Aussetzungsinteresse überwiegt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt wird (vgl. § 113 I 1 VwGO). Also haben wir die Rechtmäßigkeit des Bescheides geprüft, also – wie gewohnt – Ermächtigungsgrundlage, formelle Rechtmäßigkeit und materielle Rechtmäßigkeit durchgeprüft. Ermächtigungsgrundlage war § 53 III Nr. 3 (Ziffer 1. des Bescheides) und Nr. 4 (Ziffer 2. des Bescheides) SchulG NRW. Bei der formellen Rechtmäßigkeit haben wir Zuständigkeit, Verfahren und Form geprüft. Bei der materiellen Rechtmäßigkeit sind wir dann auch noch auf die Kunstfreiheit zu sprechen gekommen. Wir sollten den Schutzbereich definieren. Das ist allen nicht wirklich gut gelangen. Wir haben legitimen Zweck, Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme geprüft. Bei der Angemessenheit, sollte dann auch die Kunstfreiheit mit abgewogen werden. Allerdings war dann die Prüfungszeit schon zu Ende.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom Januar 2025. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

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