Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom September 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 | 4 |
Vorpunkte | 52 | 50 | 24 | 30 |
Zivilrecht | 10 | 9 | 5 | 5 |
Strafrecht | 10 | 9 | 5 | 5 |
Öffentliches Recht | 18 | 18 | 10 | 10 |
Endpunkte | 90 | 86 | 44 | 50 |
Endnote | 9,0 | 8,6 | 4,4 | 5,0 |
Prüfungsgespräch:
B aus Münster leiht dem F (Einzelhändler) seinen Kleintransporter, da der Kleintransporter des F für eine nicht unerhebliche Zeit nicht genutzt werden kann. B verlangt hierfür kein Entgelt.
Bei der Übergabe des Kleintransporters an F sagt B: „Pass gut auf den Wagen auf. Sorg auch dafür, dass deine Leute gut mit dem Wagen umgehen“.
Am 10. Januar 2015 gibt F den Kleintransporter an B zurück.
Später im September 2015 stellt B fest, dass der Kleintransporter Schäden aufweist. Diese Schäden rühren aus der robusten Fahrweise des X, ein Arbeitnehmer des F, her.
B verlangt nun von F und X Schadensersatz? Zu Recht?
Lösung:
Schadensersatzansprüche des B gegenüber F
- Vertragliche Ansprüche
- Anspruch des B gegen F aus § 280 I 1 BGB 1. Anspruch entstanden
- SV
Es müsste zunächst ein SV vorliegen. B und F haben einen Leihvertrag geschlossen. B schuldet die Gebrauchsüberlassung, ohne dass F zu einer Zahlung verpflichtet wurde. F schuldet die Rückgabe der Sache.
- Pflichtverletzung
Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Vertragspartner im Widerspruch zum SV handelt. Als Nebenpflicht zum Leihvertrag hat F die Verpflichtung die Leihsache ordnungsgemäß zu behandeln, vgl. §§ 602, 603 BGB. Insbesondere müssen Substanzverletzungen vermieden werden. Der Kleintransporter wurde in seiner Substanz verletzt. Eine Pflichtverletzung liegt vor. c) Vertreten müssen
Grds. wird das Vertreten müssen gemäß § 280 I 2 BGB vermutet. Ein Vertreten müssen gemäß § 276 I BGB seitens des B liegt nicht vor. Jedoch muss er sich das Vertreten müssen seiner Arbeitnehmer zurechnen lassen gemäß § 278 I BGB. Arbeitnehmer, wie vorliegend der X, sind Erfüllungsgehilfen. Die Voraussetzungen von §§ 278 I, 276 BGB sind erfüllt.
- d) Rechtsfolge, § 249 ff. BGB
Ein Schaden iSv §§ 249 ff. BGB liegt vor. Die Berechnung erfolgt nach der Differenzhypothese. Die haftungsausfüllende Kausalität liegt vor. Etwaige Kürzungen gemäß § 254 oder aufgrund vertraglicher/gesetzlicher Ausschlussregelungen oder nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind nicht ersichtlich.
- Anspruch nicht erloschen
- Anspruch durchsetzbar
(P) Verjährung (rechtshemmende Einrede)
Grds. gelten die §§ 194 ff. BGB. Es können nur Ansprüche verjähren, § 194 I BGB. Somit auch
Schadensersatzansprüche nach §§ 280 ff. BGB. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB 3 Jahre. Die Frist beginnt gemäß § 199 I BGB mit Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den schadensersatzbegründenden Umständen erlangt hat. Diese Voraussetzungen liegen mit Ende 2015 vor. Hiernach kommt eine Verjährung nicht in Betracht.
Jedoch gilt bei Leihverträgen eine Privilegierung gemäß §§ 606, 548 I BGB, wonach Ersatzansprüche des Verleihers nach 6 Monaten ab Rückerhalt der Leihsache verjähren. B erhält die Leihsache im Januar zurück. B erlangt Kenntnis von Schäden erst im September 2015. Hiernach ist der Ersatzanspruch verjährt.
- Ergebnis
B hat keinen Schadensersatzanspruch aus § 280 I 1 BGB gegen F.
- Quasi-vertragliche Ansprüche
Quasi-vertragliche Ansprüche (CIC; GoA; § 179 f. BGB; § 122 f. BGB) sind nicht ersichtlich.
- C. Dingliche Ansprüche
Schadenersatzansprüche gem. §§ 989, 990 BGB kommen nicht in Betracht. Es fehlt an der Vindikationslage. F hat gegenüber B ein Recht zum Besitz (§986 BGB) aus dem Leihvertrag.
Anm.: Die Lehre vom „nicht-so-berechtigten-Besitzer“ wurde nicht angesprochen
- D. Deliktische Ansprüche
- § 823 I BGB
Anspruch des B gegen F aus § 823 I BGB kommt mangels eigenem Verschulden des B nicht in Betracht.
- § 831
- X ist als Arbeitnehmer des F dessen Verrichtungsgehilfe
- Eine unerlaubte Handlung des X liegt vor. Auf ein Verschulden des X kommt es hier nicht an.
- Verschulden des F
F könnte sich exkulpieren, wenn er nachweist, dass er den X ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht hat. Eine Exkulpation ist nicht erfolgt.
- Rechtsfolge, §§ 249 ff. BGB
- (P) Verjährung
Grds. gelten die §§ 194 ff. BGB, aber die Privilegierung gemäß §606 BGB findet auch auf deliktische Schadensersatzansprüche Anwendung.
Arg.: Rechtssicherheit
- Ergebnis
Kein Anspruch gemäß § 831 BGB
- E. Bereicherungsrechtliche Ansprüche
Bereicherungsrechtliche Ansprüche kommen nicht in Betracht.
Schadenersatzansprüche des B gegen X (Arbeitnehmer des F)
- Vertragliche Ansprüche (-)
- Quasi-vertragliche Ansprüche (-)
- Dingliche Ansprüche (-)
Als Arbeitnehmer ist X wohl Besitzdiener und somit kein Besitzer iSd EBV-Regelungen.
- D. Deliktische Ansprüche
In Betracht kommt ein Anspruch aus § 823 I BGB. Die Privilegierung aus § 606 BGB gilt nur im Verhältnis zwischen B und F (Verleiher/Entleiher) und nicht zwischen B und X. Grds. gelten dann die allgemeinen Verjährungsregeln, §§ 194 ff. BGB.
Jedoch ist zu berücksichtigen, dass X als Arbeitnehmer des F tätig wird im Rahmen des
Leihvertrages. Die Schutzwirkung des Leihvertrages erfasst auch X, sodass die Privilegierung aus § 606 BGB auch für X gilt (quasi umgekehrter Fall des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, wo nicht ein Dritter als Geschädigter geschützt wird, sondern der Dritte als Schädiger). Deliktische Ansprüche kommen aufgrund der Verjährung nicht in Betracht.
- E. Bereicherungsrechtliche Ansprüche (-)
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