Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Bayern im Februar 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Februar 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 6,16
Aktenvortrag 9
Zivilrecht 8
Strafrecht 7
Öffentliches Recht 8
Endpunkte 7,66
Endnote 6,53

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen:  Verfassungsrecht, Europarecht

Paragraphen: §16a GG, §28 GG, §34 AEUV

Prüfungsgespräch: Diskussion, lässt Meldungen zu, Intensivbefragung Einzelner, lässt sich ablenken

Prüfungsgespräch:

Zunächst betonte der Prüfer, dass er keinen großen Fall schildern, sondern lieber ein Prüfungsgespräch entwickeln wollte.

Zu Beginn der Prüfung, fragte der Prüfer, auf welches Grundrecht sich denn ein Flüchtling in Deutschland berufen könne um in Deutschland bleiben zu können, woraufhin wir Art. 16a GG nannten und erklären sollten, wie man diesen prüfe (3- stufiger Aufbau). Es sollte dargestellt werden, wann genau jemand politisch verfolgt sei, was jedoch nicht sehr präzise gelang. Weiter kamen wir auf die Genfer Flüchtlingskonvention zu sprechen und sollten erklären, was ein völkerrechtlicher Vertrag sei und welche Rolle ein solcher spiele, woraufhin ein Prüfling Art. 59 Abs.2 GG nannte.

Danach ging es um ein aktuelles Ereignis. Der Prüfer berichtete von dem Streit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und der von Herrn Seehofer angedrohten Klage und wollte wissen, welche Klageart dafür in Betracht käme (Bundländerstreit). Dann wollte er wissen, welche verfassungsmäßigen Rechte des Landes Bayern hier verletzt sein könnten. In diesem Fall könnte das Recht auf Bundestreue aus Art.20 Abs.1 GG verletzt sein.

Danach sprachen wir über die Eigenstaatlichkeit der Länder nach Art. 28 GG und darüber, was ein Staat ist. Es wurde die drei Elemente Lehre von Jellinek genannt, die besagt, dass ein Staat eine Staatshoheit, ein Staatsvolk und ein Staatsgebiet benötige. Der Prüfer fragte noch, ob jemand wisse, wann diese Lehre entstanden sei, was jedoch niemand beantworten konnte.

Dann ging es darum, ob Bayern ein Staat sei und um das Verhältnis von Bundes- und Landesrecht in Art.31 GG. Ein Prüfling sollte erklären, was „im Rahmen der Gesetze“ in Art. 28 Abs.2 GG bedeutet und nannte als Beispiel das Aussichtsrecht, der Fach- und der Rechtsaufsicht.

Dann schilderte der Prüfer einen Fall. In Deutschland war ein Gesetz verabschiedet worden, dass Arzneimittelabschläge vorschrieb. Dadurch fühlte sich ein niederländisches Unternehmen in seinen Rechten aus Art.12 GG und Art.34 AEUV verletzt.

Die Frage war, mit welcher Klageart das Unternehmen gegen dieses Gesetz vorgehen könnte. Es wurde die Verfassungsbeschwerde gemäß Art.93 Abs.1 Nr.4a GG genannt, deren Zulässigkeit wir im Folgenden prüften. Unproblematisch prüften wir die Zuständigkeit nach Art.93 Abs.1 Nr.4a GG, § 13 Nr.8 BVerfGG und den ordnungsgemäßen Antrag gemäß §§ 23, 92 BVerfGG. Länger aufgehalten haben wir uns mit der Frage, ob sich das Unternehmen auf Grundrechte berufen kann, was sich nach Art.19 Abs.3 GG richtet und der Fall ist, wenn das Grundrecht dem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar ist, was wir bezüglich der Berufsfeiheit aus Art. 12 GG bejahten. Problematisch war hierbei, dass Art. 19 Abs. 3 GG von inländischen juristischen Personen spricht, es sich in unserem Fall jedoch um ein niederländisches Unternehmen handelt. Ob ein Unternehmen inländisch ist richtet sich nach der Sitztheorie. Problematisch war jedoch, dass es sich hier um eine niederländische juristische Person handelte. Wir diskutierten daher, ob Art. 19 Abs.3 GG europakonform auszulegen sei und aufgrund von Art. 18 AEUV auch europäische juristische Personen sich auf Grundrechte berufen können, was der Prüfer problematisch fand, da dies eine deutliche Ausdehnung des Wortlauts sei.

Anschließend prüften wir noch, ob hier ein tauglicher Beschwerdegegenstand vorliegt, was jeder Akt öffentlicher Gewalt ist, worunter als Akte der Legislative auch Normen fallen. Da es sich um eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde handelt, richtet sich die Frist nach § 93 Abs.3 BVerfGG. Ein Prüfling stellte den Unterschied zwischen Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität dar, der darin liegt, dass bei letzterer auch alle anderen Mittel der gerichtlichen Überprüfung, insbesondere die Möglichkeit einer Inzidentkontrolle ausgeschöpft werden müssen.

Im Rahmen der Antragsbefugnis erklärte ein Prüfling, dass der Kläger darlegen müsste, dass er selbst, unmittelbar und gegenwärtig in einem subjektiven Recht verletzt sei, woraufhin der Prüfer fragte, ob im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde auch Art. 34 AEUV gerügt werden könne. Dies wurde verneint, da gemäß Art.93 Abs.1 Nr.4 GG die Verfassung der alleinige Prüfungsmaßstab in einer Verfassungsbeschwerde ist.

Der Prüfer wollte noch wissen, warum die Grundfreiheiten des AEUV direkt anwendbar sein, was ein Prüfling damit erklärte, dass sie bestimmt genug wären und kein weiterer Vollzugsakt erforderlich sei.

Zuletzt stellte der Prüfer noch einige Fragen zu einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren. Er wollte wissen, wo dieses geregelt sei (Art. 76 GG) und fragte, an welcher Stelle es in einer Verfassungsbeschwerde zu prüfen sei (im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit des Gesetzes unter dem Prüfungspunkt Verfahren, wenn das Gesetz einen Eingriff in ein Grundrecht ermöglicht). Danach war die Prüfung auch schon vorbei.

Du suchst die optimale Vorbereitung auf deine Mündliche Prüfung?

Du suchst Gesetzestexte und Kommentare für deine Mündliche Prüfung und den Aktenvortrag? Schau mal bei JurCase.com vorbei, denn da gibt es die gesuchte Fachliteratur zur kostengünstigen Miete oder auch zum Kauf.

jurcase2-ideal-fuer-referendare