Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Bayern im Mai 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Mai 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Vorpunkte 9,27 9 6 7
Prüfungsgespräch 13 12 8 8
Endnote 10,2 10 6,5 7,6
Endnote (1. Examen) 11,6

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Meist Kommunalabgabenrecht, sonst aktuelle Bezüge oder allgemein gehaltene Fragen.

Paragraphen: §12 VwGO, §97 GG, §95 GG, §197 GVG, §105 GG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, lässt Meldungen zu, Intensivbefragung Einzelner

 

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer stellte eine Reihe eher allgemeinerer Fragen, die sich meist um große Senate drehten:
Frage: Wo gibt es große Senate?
Antwort: An den OLGs, den Bundesgerichten (also auch am BVerwG-§ 11 VwGO) und dem Bundesverfassungsgericht, aber auch an den Oberverwaltungsgerichten, § 12 VwGO, in Bayern also beim VGH, der diese Bezeichnung nach § 184 VwGO, Art. 1 Abs. 1 AGVwGO fortführen darf.
Frage: Über was entscheiden die großen Senate?
Antwort: Nur über die vorgelegte Rechtsfrage, vgl. § 11 Abs. 2 VwGO.
Frage: Wie lautet dann der zugehörige Tenor?
Antwort: Norm xy ist so zu verstehen…Nicht –beispielsweise-: Das Urteil wird aufgehoben, die Klage abgewiesen…
Frage: Wie oft kommt es wohl zu Entscheidungen der großen Senate?
Antwort: Sehr selten, allerdings beim BFH etwas öfter, zuletzt über das häusliche Arbeitszimmer.
Frage: Was ist von Pressestimmen zu halten, dass ein Gerichtspräsident zurücktreten solle, wenn er in seinem Senat von den anderen Richtern überstimmt wird und daher seine Autorität in Frage gestellt wird.
Antwort: Nichts, da die richterliche Unabhängigkeit von Art. 97 GG garantiert wird.
Frage: Wann entfällt die Vorlagepflicht an den großen Senat, obwohl wegen abweichenden Rechtsfragen an sich nach dem Normtext, etwa § 12 Abs. 2 VwGO vorgelegt werden müsste? Kennen Sie dazu einen Fall?
Antwort: Wenn wegen möglicher Verfassungswidrigkeit der geprüften Vorschrift ohnehin nach Art. 100 Abs. 1 GG an das BVerfG vorgelegt werden muss. Hier wollte der Prüfer irgendeinen Fall des BFH zur Besteuerung von Gesellschaften hören, was aber keiner wusste.
Frage: Gibt es noch einen anderen, speziellen Senat?
Antwort: Ja, den gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach Art. 95 Abs. 3 GG.
Frage: Kennen sie eine einschlägige Entscheidung?
Antwort: Die Entscheidung, ob mittels Computer-Fax Klage erhoben werden kann. Wusste keiner.
Frage: Wo ist der gemeinsame Senat in der VwGO angedeutet?
Antwort: § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
Frage: Wie ist die Reihenfolge bei der Abstimmung in der Kammer?
Antwort: Siehe dazu § 197 GVG.
Nun war etwa die Hälfte der Zeit um und der Prüfer ging über zu folgendem kommunalabgabenrechtlichen Fall:
Die bayerische kreisfreie Stadt S erhebt eine sog. Kulturförderabgabe. Eine derartige Abgabe gibt es in Bayern bisher nicht. Nach der zugehörigen Abgabensatzung wird für jede Übernachtung im Gemeindegebiet 1 € vom Übernachtungsgast erhoben. Der Hotelier hat den Gast bei der Gemeinde anzumelden und die Abgabe abzuführen. (Es gab wohl schon einen realen Fall dazu –„Bettensteuer“, bei der eine derartige Abgabe unzulässig war).
Gefragt war nun, ob die vom Gemeinderat beschlossene Satzung nun schon nach Art. 26 Abs. 2 GO ausgefertigt und bekannt gemacht werden kann.
Dies ist nicht der Fall, da es sich um eine kommunale Steuer handelt, die erstmalig in Bayern erhoben wird und daher eine Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde nötig ist, Art. 2 Abs. 3 KAG, also hier der Regierung, die aufgrund Art. 110 Abs. 2 GO Rechtsaufsichtsbehörde ist.
Angenommen, die Regierung erteilt die Genehmigung, das Innenministerium ist damit aber nicht einverstanden, was kann das Innenministerium tun?
Hier wollte der Prüfer wohl darauf hinaus, dass das Ministerium der untergeordneten Behörde Regierung aufgrund des hierarchischen Prinzips des Staatsaufbaus unproblematisch Weisungen erteilen kann und im Fall, dass diese nicht befolgt werden, ein Selbsteintritt möglich ist (s. Art. 3b VwVfG) – es handelt sich also nicht um Kommunalaufsichtsrecht. Allerdings kann der gebildete Fall, was der Prüfer übersehen aber dann eingesehen hat nicht eintreten, weil das Ministerium der Genehmigung nach Art. 2 Abs. 3 S. 2 KAG ohnehin zustimmen muss.
Sodann wurde die Vereinbarkeit der Abgabe mit höherrangigem Recht angesprochen. Es handelt sich dabei eine Steuer iSd Art. 3 KAG, vgl. auch § 3 Abs. 1 AO. Die Steuer ist auch örtlich, da sie nur für Übernachtungen im Gemeindegebiet fällig wird, vgl. Art. 3 Abs. 1 KAG. Schließlich handelt es sich auch um eine Aufwandsteuer nach Art. 3 Abs. 1 Alt. 2 KAG, da an die Lebensführung (Hotelübernachtung) angeknüpft wird, die Ausweis einer besonderen Leistungsfähigkeit ist. Allerdings dürfte hierbei wohl nur an touristisch, nicht beruflich veranlasste Übernachtungen angeknüpft werden. Sodann wurde die Frage der Gleichartigkeit der Steuer mit Bundessteuern (vgl. Art. 3 Abs. 1 KAG und § 105 Abs. 2a GG) angesprochen und im Ergebnis verneint, so dass die Steuer mit höherrangigem Recht im Einklang steht. In der Sache wurde hier überlegt, ob Gleichartigkeit mit der Umsatzsteuer besteht, die zwar Verkehrssteuer ist aber ebenso bei jeder Übernachtung fällig wird. Hier wollte der Prüfer die vom BVerfG aufgestellten vier Kriterien zur Prüfung der Gleichartigkeit hören, die aber keiner kannte. Dazu gehören Kriterien wie die Frage des Steuerschuldners und der wirtschaftlichen Auswirkungen der Steuer. Der Prüfer löste dann die Frage auf.
Der Prüfer teilte dann mit, dass die Kulturfördergabe unmittelbar nach der Ermäßigung des Umsatzsteuersatzes durch den Bundesgesetzgeber eingeführt wurde. Der Bundesgesetzgeber wollte damit die Hotels fördern. Daher kann die Genehmigung der Steuer trotz Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht wegen der Beeinträchtigung volkswirtschaftlicher Interessen des Staates versagt werden, Art. 2 Abs. 3 S. 3 KAG.

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