Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Unzulässiger Wiedereinsetzungsantrag ein Jahr nach Fristablauf (BGH, Beschluss vom 21.01.2016 – IX ZA 24/15) Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.Prüfungswissen: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 233 ZPO
Prüfungswissen: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 233 ZPO
I. Statthaftigkeit des Wiedereinsetzungsantrags
Der Antrag kann nur bei Versäumung einer Notfrist und der sonstigen in § 233 ZPO aufgeführten Fristen zur Begründung von Berufung (§ 520 II 1 ZPO), Revision (§ 551 II 2 ZPO) Nichtzulassungsbeschwerde, (§ 544 II ZPO), Rechtsbeschwerde (§ 575 II 1 ZPO) sowie der Beschwerde nach § 621e ZPO gestellt werden. Schließlich kann auch die Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 I ZPO beantragt werden.
II. Ordnungsgemäße Antragstellung
- Der Wiedereinsetzungsantrag muss nach § 236 I ZPO in der Form gestellt werden, welche für die versäumte Prozesshandlung vorgeschrieben ist. Der Antrag muss nach § 236 II 1 ZPO die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten.
- Der Wiedereinsetzungsantrag muss gem. § 234 I ZPO innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen gestellt werden, wobei die Frist nach § 234 II ZPO mit dem Tag zu laufen beginnt, an dem das Hindernis zur fristgerechten Vornahme der Prozesshandlung behoben ist. Ist allerdings seit dem Ablauf der Frist mehr als ein Jahr vergangen, kann die Wiedereinsetzung nach § 234 III ZPO gar nicht mehr
beantragt werden.
Geht es um die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde, der Rechtsbeschwerde oder der Beschwerde nach §§ 621e, 629a II ZPO so ist eine Frist von einem Monat einzuhalten.
- Der Wiedereinsetzungsantrag muss nach § 237 ZPO bei dem Gericht eingereicht werden, welches für die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zuständig ist.
III. Rechtsschutzbedürfnis
Trotz Versäumung einer wiedereinsetzungsfähigen Frist kann ausnahmsweise das Rechtschutzbedürfnis für einen Wiedereinsetzungsantrag fehlen, wenn die versäumte Prozesshandlung überholt ist oder die Versäumung keine nachteiligen Folgen für den Antragsteller hat.
IV. Nachholung der Prozesshandlung
Die versäumte Prozesshandlung muss nach § 236 II 2 ZPO innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist, also nicht notwendig zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt werden. Erfolgt eine solche Nachholung, ohne dass ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt wird, so kann das Gericht auch von Amts wegen über eine Wiedereinsetzung entscheiden.
V. Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags
Der Wiedereinsetzungsantrag ist begründet, wenn die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die Prozesshandlung rechtzeitig vorzunehmen und dies auch glaubhaft macht. Verschuldet ist das Fristversäumnis jedoch nicht nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, auch normale Fahrlässigkeit spricht gegen eine Wiedereinsetzung.
1. Hinderungsgründe des Beteiligten selbst
Zunächst kann der Beteiligte selbst an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen sein (z.B. Ortsabwesenheit, Krankheit, Inhaftierung). Sorgfaltsmaßstab ist hierbei die im Rahmen eines Verfahrens verkehrsübliche Sorgfalt.
2. Verschulden des (Prozess-)Bevollmächtigten
Das Verschulden des gesetzlichen Vertreters steht nach § 173 VwGO i.V.m. § 51 II ZPO dem Verschulden der Partei gleich. Dies gilt nach § 173 VwGO i.V.m. § 85 II ZPO auch für das Verschulden des Bevollmächtigten.
Anders als beim Sorgfaltsmaßstab für den Beteiligten selbst besteht bei der Bestimmung der von einem Rechtsanwalt zu beachtenden Sorgfalt Einigkeit darüber, dass ein objektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist, der sich an der üblichen Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts in der jeweiligen Prozesssituation orientiert und hoch zu stecken ist.
3. Externe Hinderungsgründe
Das Fristversäumnis kann auch auf solchen Gründen beruhen, auf die der Beteiligte oder sein Vertreter keinen Einfluss haben (z.B. Nichteinhaltung der üblichen Postlaufzeiten, mangelnde Funktionstüchtigkeit des Empfangsfaxgerätes des Gerichts).
4. Kausalität
Ist ein verschuldeter Fehler feststellbar, so kommt eine Wiedereinsetzung gleichwohl dann in Betracht, wenn der Fehler nicht ursächlich für die Fristversäumnis war. (vgl. BGH VersR 1993, 77; BGH VersR 1991, 123). Ein Fehler ist dann ursächlich, wenn ohne ihn die Frist nach dem gewöhnlichen Verlauf nicht versäumt worden wäre (vgl. BGH VersR 1974, 1001).
Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Juni 2016