Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Hessen vom Juni 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Juni 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsfach:  Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 8,3 6,0 6,25 9,75 6,9
Zivilrecht 11 12 8 11 14
Strafrecht 10 9 9 11 14
Öffentliches Recht 10 10 11 11 14
Endpunkte 10,33 10,3 9,33 11 14
Endnote 9,0 7,44 7,27 10,05 9,2

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Widerrufsrecht, Verwirkung, Befristung

Paragraphen: §355 BGB, §356 BGB, §242 BGB, §16 TzBfG, §14 TzBfG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer eröffnete die Runde mit einer offenen Frage, was uns zum Datum des 21.06.2016 einfiele. Da kein Prüfling eine passende Antwort geben konnte, präzisierte er die Frage was uns zum Stichwort des „ewigen Widerrufsrechts“ einfiele. Hierauf wurde von einem Prüfling geantwortet, dass es sich hier um ein Widerrufsrecht bei Verbraucher-Darlehens-Verträge handele, welches auf Grund einer fehlerhaften Belehrung gemäß § 356b BGB potentiell ewig bestehen könne. Der Prüfer war mit der ausführlichen Antwort sehr zufrieden und löste sodann auf, dass am 21.06. ein Gesetz in Kraft tritt, mit dem das Widerrufsrecht für vor 2010 geschlossene Verträge erlischt, so dass ein Widerrufsrecht für diese Verträge nur bis zu diesem Stichtag besteht. Sodann stellte er die Frage, inwiefern ein solches ewiges Widerrufsrecht für Banken problematisch ist und welche Möglichkeiten diese hätten, gegen die Ausübung Einspruch einzulegen. Hier wurde genannt, dass für die Banken immense Kosten entstehen könnten, wenn Kreditnehmer ihre langfristigen Verträge nach Jahren widerrufen, nur um sogleich einen neuen Vertrag zu nun günstigeren Konditionen abzuschließen. Dies könnte gegen Treu und Glauben verstoßen, § 242. Insbesondere komme hier der Einwand der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs als Ausdruck des § 242 in Betracht. Dies nahm der Prüfer wohlwollend auf und fragte sodann nach den genauen Voraussetzungen unter denen man von einer Verwirkung des Widerrufs oder eines Rechtsmissbrauchs durch Ausübung des Widerrufs ausgehen konnte. Der Prüfer fragt hier auch immer wieder genauer nach und wollte Argumente sowohl aus der Sicht der Banken, als auch aus Sicht der Verbraucher hören. Hier fiel auch das Argument mit dem Telos der Norm, das Widerrufsrecht soll vor bei fehlerhafter Belehrung den Verbraucher schützen, da er nicht die Folgen des Vertrages überblicken könne. Wenn er aber jahrelang den Vertrag erfüllt, nur um später zu widerrufen um günstigere Konditionen zu erhalten, entspreche dies nicht dem Zweck der Schutzvorschrift. Der Prüfer war mit der Diskussion insgesamt zufrieden, hakte jedoch auch immer wieder genauer nach bei Unstimmigkeiten in der Argumentation. Sodann wendete er sich allgemeinen Fragen zu. Er fragte, wo sonst noch im BGB Verbraucherschutzvorschriften bestehen und welchen Zweck diese erfüllen. Hier wurden Beispiele genannt und auf die Werteordnung des Grundgesetzes hingewiesen. Sodann wurde nach der Herkunft und Geschichte der Schutzvorschriften gefragt. Die meisten Schutzvorschriften gehen dabei auf europäische Richtlinien zurück, zudem wurden durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2002 viele Spezialgesetzliche Vorschriften (AGB, Haustürgeschäfte) in das BGB integriert. Zum Abschluss wurde ein aktueller Fall mit Bezug zum Fußball gestellt: ein Mainzer Profi unterschrieb einen Vertrag bei Mainz 05 für zwei Jahre befristet verlängert werden konnte. Nachdem der Vertrag nicht verlängert wurde, Klagte der Spieler gegen den befristeten Vertrag. Hier wurde gefragt, worauf der Spieler klagen könnte und aus welcher Anspruchsgrundlage. Hier wurde § 16 TzBfG genannt, so dass der Arbeitsvertrag des Spielers bei Unwirksamkeit der Befristung unbefristet bestehen würde. Sodann musste die Zulässigkeit der Befristung nach § 14 Abs. 1 S.2 Nr. 4 TzBfG geprüft werden. Hier wollte der Prüfer wiederum Argumente aus Sicht des Klägers und Beklagten hören. Nachdem ein ähnliches Verfahren zu Verträgen im Fußball vor dem EuGH erwähnt wurde, wollte er den Namen dieses hören, es handelt sich um das Bosmann Urteil zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Hier wurde auch das Argument genannt, dass Deutschen vereinen bei einem Stattgeben der Klage ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Clubs entstehen würde. Hierauf wurde nachgefragt, ob dies denn richtig sei, wobei der Prüfer darauf hinaus wollte, dass das TzBfG auf einer Richtlinie beruht, die Situation für europäische Clubs also gleich sein müsste, bzw. eine Klärung durch den EuGH nötig wäre. Daran anknüpfend fragte er noch wie der Instanzenzug vor den Zivilgerichten verlaufe und ob der Kläger eventuell vor den EuGH ziehen könnte. Hier wurde die Vorlagemöglichkeit bzw. Pflicht Deutscher Gerichte genannt und dass der Kläger selbst eine Vorlage vor den EuGH nur über eine Verfassungsbeschwerde wegen Entzug des gesetzlichen Richters (Art. 103 Abs. 1 GG) erreichen könnte. Damit endete die Prüfung. Zusammenfassend war der Prüfer ein fairer und freundlicher Prüfer. Er stellte durchaus anspruchsvolle Fragen, sowie Fragen, die eine Abwägung oder Subsumption erforderten. Dies könnte auch an dem nach seinen Angaben hohen Niveau der Prüflinge gelegen haben. Zudem ist anzumerken, dass durchaus nachgefragt wurde, wenn eine Argumentation nicht schlüssig oder oberflächlich verlief, bzw. andere Themen angesprochen wurden (z.B. Verfahren vor dem EuGH). Die übliche Prüfungszeit wurde in unserem Fall leicht überschritten.

Du suchst die optimale Vorbereitung auf deine Mündliche Prüfung?

Du suchst Gesetzestexte und Kommentare für deine Mündliche Prüfung und den Aktenvortrag? Schau mal bei JurCase.com vorbei, denn da gibt es die gesuchte Fachliteratur zur kostengünstigen Miete oder auch zum Kauf.

jurcase2-ideal-fuer-referendare