Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Niedersachsen vom Oktober 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen vom Oktober 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 52
Aktenvortrag 1
Zivilrecht 15
Strafrecht 11
Öffentliches Recht 13
Endpunkte 91
Endnote 10,2

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Vertrauensschutz, 79 GG, 23 GG, Kommunalrecht, 65 I GG

Paragraphen:  §23 GG, §79 GG, §65 GG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort Diskussion, hält Reihenfolge ein, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann die Prüfung mit der Frage, woraus sich der Vertrauensschutz aus der Verfassung ableiten ließe. Die von ihm als richtig gewertete Antwort war, dass sich dies aus dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 III GG ableiten ließe. Ferner sollten wir vortragen, welche Grundsätze bzw. die konkrete Ausgestaltung des Rechtsstaatsprinzips sind. Richtigerweise wurde hier der Vorrang des Gesetzes und das Rückwirkungsverbot genannt. Hier wollte der Prüfer am Beispiel von steuerrechtlichen Regelungen die Unterschiede zwischen unechter und echter Rückwirkung erklärt und erläutert wissen und wann und ob das Vertrauen des Bürgers oder das Regelungsinteresse des Staates Vorrang hat bzw. Ausnahmen zulässig sind. Sodann fragte der Prüfer, ob und wenn ja, wo der Begriff „Rechtsstaatlichkeit“ im GG ausdrücklich geschrieben steht. Jener Begriff ist in Art. 23 I GG zu finden. Wir sollten erläutern, wie genauer Art. 23 I GG zu verstehen ist; nämlich als Doppelauftrag für Union und BRD. In diesem Kontext kamen wir auf den Art. 79 GG zu sprechen. Hier wollte der Prüfer festgestellt wissen, dass Art. 79 I nicht in Art. 23 I aE GG genannt ist und mithin quasi zumindest auf supranational Ebene abbedungen ist. Des Weiteren, bildete der Prüfer, nachdem kurz die Ewigkeitsklausel Art. 79 III GG erklärt werden sollte, den folgenden Fall: Der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen sagt in eine aufzeichnende Kamera, dass die Parteien der Gemeinde G einer von der ebenfalls im Gemeinderat sitzenden Orts-NPD anberaumten Abstimmung insgesamt fernbleiben sollen, schließlich wolle und solle man mit den „Nazis“ nichts zu tun haben. Diese Aufzeichnung wurde sodann in den sozialen Medien verbreitet, auch über die Kanäle der Landesregierung. Die betreffende Partei wandte sich daraufhin an das Bundesverfassungsgericht und „beschwerte“ sich. Die Frage vom Prüfer war nun, welches Verfassungsrecht der Partei verletzt und welches Verfahren vor dem BVerfG einschlägig sein könnte. Es hier sollte herausgearbeitet werden, dass Art. 21 GG ein spezielles Gleichheitsrecht zugunsten der Parteien enthält und dass der Ministerpräsident als Träger hoheitlicher Gewalt alle Parteien gleichbehandeln muss. Mit seiner Aussage jedoch wurde er dem nicht gerecht, sodass nach ein wenig Abwägung unsererseits das Ergebnis feststand, dass die Orts NPD in ihren Rechten aus Art. 21 I GG verletzt ist. In diesem Zusammenhang erfragte der Prüfer sodann, wie der Fall stünde, wenn der Ministerpräsident diese Aussage nicht in selbiger Funktion getätigt, sondern im Rahmen einer Veranstaltung seiner Partei oder Privatperson geäußert hätte; hier würde das Gleichbehandlungsgebot insofern nicht greifen. Weiter kam zur Sprache, dass dem Ministerpräsident eventuell in diesem Rahmen eine Kompetenz entsprechend dem Gedanken aus Art. 65 I GG zur Warnung vor rechtsradikalen Parteien zukommen muss. Jedoch forderte hier der Ministerpräsident zum Boykott der Abstimmungen auf, was schon an sich mit dem Demokratieprinzip und dahingehend, dass die Orts-NPD demokratisch durch die Kommunalwahl legitimiert und (bisher) noch nicht verboten wurde, unvereinbar ist. Der Prüfer schloss diesen Themenkomplex mit den Worten, dass man also festhalten könne, dass ein Eingriff vorliege. Dann fragte er, wie es um die verfassungsrechtliche Rechtfertigung stünde. Hier war es wichtig festzustellen, dass sich Träger der Staatsgewalt nicht auf Grundrechte berufen können und mithin eben auch nicht der Ministerpräsident und damit keine Rechtfertigung möglich ist. Schlussendlich erarbeiteten wir dann, dass im konkreten Fall ein Organstreitverfahren das einschlägige Verfahren vor dem BverfG ist.

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