Bei dem nachfolgenden Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom Juni 2016 im zweiten Staatsexamen in Berlin. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsfach: Strafrecht
Gedächtnisprotokoll:
S 1 Berlin/Brandenburg
Strafrecht aus staatlicher Sicht (StA)
In der Silvesternacht vom 31.12.2015 zum 01.01.2016 wurde ein PKW mit über 50 km/h zu viel geblitzt. Das Blitzerfoto wies eine blonde junge (20-25 Jahre alte) Frau mit Nasenpiercing aus. Als Beifahrer war ein junger Mann zu sehen.
Der PKW war auf einen älteren Familienvater zugelassen, der zweifelsfrei nicht der Fahrer sein konnte. Er berief sich auf ZVR ggf. AAR um niemanden in seiner Familie zu schaden. Er hatte mehrere Töchter, wovon die Zwillingstöchter äußerlich und vom Alter her der jungen Frau auf dem Foto ähneln.
Der ermittelnde Sachbearbeiter konnte anhand der Facebook-Profile der Zwillinge (frei und öffentlich zugänglich) zwei Brüder ausfindig machen, die dem Beifahrer vom Blitzerfoto ähnlich aussehen.
Selbstbezichtigung
Die eine Zwillingsschwester (JW) schrieb den Sachbearbeiter an und äußerte, dass Sie den PKW gefahren ist. Sie fügte ein Passbild bei.
Bescheid
Trotz Zweifel an der Richtigkeit der Selbstbezichtigung verhängte der Sachbearbeiter einen Bußgeldbescheid. Zweifel rühren daher, dass die Schwester (SW) der JW mehrere Geschwindigkeitsübertretungen auf dem Konto hat und eine weitere Ahndung zu einem sog. „Idiotentest“ führen würde.
Einspruch
Gegen den Bescheid wurde fristgemäß Einspruch eingelegt. Nun war es die JW doch nicht.
In der Zwischenzeit ist die Owi gegen SW verjährt.
Die Sache wurde an die StA abgeben.
Richterliche Vernehmung der Brüder
Der eine Bruder (AC) der möglichen Beifahrer wurde richterlich vernommen. Er äußerte, dass er die Zwillinge JW und SW zwar kennt und auf derselben Silvesterparty war, jedoch nicht mit einer von ihnen zurückgefahren ist. Sein Bruder ist für ein Jahr in Australien und macht dort „Work and Travel“.
Von einer Vereidigung wurde abgesehen.
Schreiben an Gericht
In einem Schreiben an das Gericht stellt JW klar, dass SW gefahren ist und sie SW als Zeugin mitbringt zur Hauptverhandlung.
Hauptverhandlung
Es wird JW als Beschuldigte vernommen
In der Hauptverhandlung schiebt JW alles auf SW. JW hat sogar extra ein Nasenpiercing stechen lassen, um auf dem Passfoto der SW ähnlicher zu sehen. Das Nasenloch ist mittlerweile zugewachsen, man sieht aber noch Rückstände der Einstichstelle.
Es wird AC als Zeuge vernommen.
Er sagt jetzt aus, dass er doch Beifahrer war. SW ist gefahren. Sie fährt gerne zu schnell. Er kann sich noch gut an das rote Blitzlicht aus der Säule erinnern.
JW sagt wieder aus
Sie möchte reinen Tisch machen. Es war wirklich SW. Sie studiert Jura im 5. Semester und hat JW beim Schreiben an die Behörde und ans Gericht geholfen. Sie meinte, der JW würde nichts passieren. JW wollte SW helfen, die würde ansonsten ihren Führerschein verlieren.
Urteil
Die JW wird in der Owi-Sache freigesprochen.
Rechtsanwaltsschreiben
Es meldet sich der Verteidiger der JW. Er meint, dass das Schreiben an die Behörde keine strafrechtlich relevante Handlung darstellt. Zudem bedeutet Freispruch eben Freispruch.
Verfügung Staatsanwaltschaft
Die Verfügung des bearbeitenden Staatsanwalts verriet, dass ein Ermittlungsverfahren gegen JW wegen Beihilfe zur falschen Verdächtigung, die SW durch JW beging, eingeleitet wird.
Bearbeitervermerk
Zu prüfen war gutachterlich JW, SW und AC.
Eine Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft sollte nur hinsichtlich AC ergehen.
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