Dieser Fall beschäftigt sich im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle mit dem deutschen Wahlrecht, insbesondere der Grundmandatsklausel sowie den Überhang- und Ausgleichsmandaten.
Die Lösung zu diesem Fall wird am 03.04.2017 zur Verfügung gestellt!
Den größten Lerneffekt erzielt Ihr, wenn Ihr erstmal versucht, den Fall durchzulösen, um dann mit der Lösung den Lernerfolg zu überprüfen und Lücken zu schließen.
Fall 8: Wahlrecht
Bei der Wahl zum Bundestag 1994 zogen folgende Parteien in den Bundestag ein: CDU, SPD, FDP, CSU, Bündnis 90/Die Grünen sowie die PDS. Die PDS war nur in den Bundestag gelangt, da sie vier Direktmandate erlangt hatte. Infolge der sog. Grundmandatsklausel nahm die PDS dann mit ihren bundesweit erworbenen Zweitstimmen an dem Verfahren der proportionalen Sitzvergabe teil. CDU und SPD haben aufgrund der Zahl ihrer Direktmandate sog. Überhangmandate erhalten (CDU: 12, SPD: 4) und so im Vergleich zu den anderen Parteien weniger Zweitstimmen benötigt, um einen Sitz zu erhalten.
Die Regierung des Landes Niedersachsen hält diese beiden Regelungen des Bundeswahlgesetzes für verfassungswidrig. Gegen die Regelung bzgl. der Überhangmandate führt sie an, diese seien nicht mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl vereinbar. Zumindest müsste dieses Prinzip anders ausgestaltet werden, indem etwa die Überhangmandate auf in anderen Ländern errungene Sitze angerechnet würden oder den anderen Parteien Ausgleichsmandate zugewiesen würden; jedenfalls müsse dies gelten, wenn eine Partei übermäßig viele Überhangmandate errungen habe.
Die Grundmandatsklausel sei ebenfalls wegen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl verfassungswidrig: Die 4 Direktmandate würden ausreichen, um die PDS im Bundestag ihrer Bedeutung angemessen zu repräsentieren. Der zusätzliche Verhältnisausgleich sei nicht notwendig.
In ihren Stellungnahmen haben Vertreter der Bundesregierung, des Bundestages und des Bundesrates sowie die PDS sich wie folgt gegen diese Ansicht geäußert: Der Antrag der Landesregierung Niedersachsen sei unbegründet. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung des Wahlrechts einen weiten Spielraum; das geltende Wahlrecht sei kein reines Verhältnismäßigkeitswahlrecht. Die Überhangmandate seien Ausdruck der personalisierten Verhältniswahl, in ihnen würden Elemente der Mehrheitswahl berücksichtigt. Durch dieses personale Element sollten die Parteien angeregt werden, eine bürgernahe Politik zu betreiben. Auch Ausgleichsmandate oder Anrechnung seien keine gute Alternative.
Die PDS führt gegen die Verfassungswidrigkeit der Grundmandatsklausel an, eine Partei, die mindestens 3 Direktmandate errungen habe, sei nicht mit einer Partei zu vergleichen, die zwar mehr Zweitstimmen errungen habe, aber sowohl an der 5 % Hürde als auch an der Grundmandatsklausel scheitere. Durch die Grundmandatsklausel wolle der Gesetzgeber der regionalen Bedeutung einer Partei gerecht werden.
Wie wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden?